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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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schlecht kalkuliert, denn er war nicht sehr geschickt in Zirkuskunststücken. Der Wurf traf, und die Mousse au chocolat bespritzte ihr schönes Gesicht. Sie bewegte sich nicht, empfand ein hämisches Vergnügen, als die braunen Streifen über ihr Gesicht liefen, und dann berührte sie ihre Wange und betrachtete die beschmierte Hand. Hierher hatte er sie also geführt, ihr Triumphmarsch an dem Tag, als sie in Genf seine Rückkehr erwartet hatte. Er stürzte ins Badezimmer, kam mit einem Handtuch zurück und wischte mit der feuchten Ecke über das verunstaltete Gesicht, wischte zärtlich und behutsam. Auf Knien küsste er den Saum ihres Morgenrocks, küsste ihre nackten Füße und blickte zu ihr auf. »Leg dich hin«, sagte sie, »ich werde mich zu dir legen und dir das Haar streicheln, und dann wirst du einschlafen.«

***

    Als sie im Dunkeln plötzlich erwachten, hielten sie sich an der Hand. »Ich bin ein gemeiner Kerl«, murmelte er. »Sei ruhig, das ist nicht wahr, du bist mein Leidender«, sagte sie, und er küsste ihr die Hand, benetzte ihre Hand mit seinen Tränen und bot ihr an, auf der Stelle sein Gesicht zu verstümmeln, sich mit einem der Messer auf dem Tisch das Gesicht zu zerschneiden, um es ihr zu beweisen. Sofort, wenn sie es wollte! »Nein, Liebling, nein, mein Leidender«, sagte sie, »erhalte mir dein Gesicht, erhalte mir deine Liebe«, sagte sie.
    Abrupt stand er auf, schaltete den Kronleuchter ein, zündete sich eine Zigarette an, nahm einen tiefen Zug, zog die Brauen hoch, ging mit großen Schritten im Zimmer hin und her, groß und schlank, stieß Rauch aus den Nasenlöchern, sprühte Gift aus den Augen und schüttelte die Spitzen seiner Haare, rebellische kleine Schlangen. Wie ein rächender Erzengel näherte er sich dem Bett und bewegte die Kordel seines Morgenrocks bedrohlich wie eine Schleuder.
    »Aufstehen«, sagte er, und sie gehorchte, stand auf. »Verlang Genf und ruf ihn an.«
    »Nein, ich bitte dich, nein, ich kann ihn nicht anrufen.«
    »Immerhin hast du mit ihm geschlafen! Das ist schlimmer als ein Anruf! Los, ruf ihn an, du weißt seine Nummer bestimmt auswendig! Los, frisch seine Erinnerungen auf!«
    »Er bedeutet mir nichts mehr, das weißt du doch.«
    Seine Galle schmerzte, und er sah sie voller Abscheu an. Sie tauschte also den einen gegen den anderen und hatte die Stirn, einen Mann auszulöschen, mit dem sie hemmungslos intim gewesen war! Was sind sie nur für Wesen? Oh, sie wagte es, ihn anzusehen, sie, die Dietschanseherin! Und eben noch hatte sie gewagt, seine Hand zu halten, sie, die mit diversen Organen von Dietsch hantiert hatte!
    »Los, ruf ihn an!«
    »Ich flehe dich an, es ist nach Mitternacht, ich bin hundemüde. Du weißt doch, unsere gestrige Nacht in Agay. Ich bin völlig fertig, ich kann nicht mehr«, sagte sie schluchzend und ließ sich auf das Bett fallen.
    »Nicht auf den Rücken!«, befahl er, und sie drehte sich teilnahmslos um und legte sich auf den Bauch. »Noch schlimmer!«, rief er. »Verschwinde, geh in dein Zimmer, ich will euch beide nicht mehr sehen! Verzieh dich, du Hündin!«
    Die ausgemergelte Hündin verzog sich. Fassungslos betrachtete er seine Hände. Er brauchte sie, sein einziges Gut. Er rief sie zurück. Sie stand auf der Schwelle, reglos, bleich.
    »Hier bin ich.« (Er liebte die beiden kleinen geballten Fäuste.)
    »Hast du dich auch am Nachmittag bespringen lassen?«
    »Mein Gott, warum leben wir zusammen? Ist das Liebe?«
    »Hast du dich auch am Nachmittag bespringen lassen? Antworte. Hast du dich auch am Nachmittag bespringen lassen? Antworte. Ich werde dich so lange fragen, bis du mir antwortest. Hast du dich auch am Nachmittag bespringen lassen? Antworte.«
    »Ja, manchmal.«
    »Wo?«
    »Wo man sich eben bespringen lässt!«, schrie sie und lief davon.
    Damit sie zurückkam, ohne dass er sie rufen musste, nahm er das bronzene Tintenfass und schleuderte es in den Schrankspiegel. Dann zerschmetterte er die Gläser und die Teller. Sie rührte sich nicht, und das empörte ihn. Das Explodieren der Champagnerflasche an der Wand hatte mehr Erfolg. Sie kam zurück, zu Tode erschrocken.
    »Was willst du noch? Hau ab!«
    Sie drehte sich um und verließ die Bühne. Enttäuscht riss er die Vorhänge von den Fenstern und blickte sich um. Kein schöner Anblick dieses Zimmer, viel zu unordentlich. All diese Scherben auf dem Boden, dieser zerbrochene Spiegel. Er fuhr sich durchs Haar, pfiff das
»Voi che sapete«
. Wenn sie sich versöhnen könnten,

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