Die Schöne des Herrn (German Edition)
fallen, den der erlauchte Schritt bestimmte. Gefühlsselig und konfus, lächelnd und schwitzend, ganz außer sich über die Berührung der ranghöheren Hand, zu verwirrt, um die Sanftheit dieses Kontaktes zu empfinden, glitt er vornehm dahin, lauschte mit seiner ganzen Seele und verstand kein Wort. Verführt und feminin, bebend und leicht, vergeistigt, überwältigte Jungfrau und schüchterne zum Altar geführte Braut, ging er am Arm des Vorgesetzten, und sein Jungmädchenlächeln hatte etwas zart Sexuelles. Intim, ja, er war intim mit einem Vorgesetzten, hatte endlich eine persönliche Beziehung! O Glückseligkeit des berührten Arms! Es war die schönste Stunde seines Lebens.
IX
Als Adrien Deume wieder allein war, trat Saulnier höflicher denn je auf ihn zu und teilte ihm mit, was Madame hinterlassen hatte. Noch immer ein zärtliches Lächeln auf den Lippen, das für seinen Vorgesetzten bestimmt war, ging der junge Beamte wie im Traum die Treppe hinunter. Im Erdgeschoss angelangt, ging er, immer noch lächelnd und Gespenst seines Glücks, an seiner Frau vorbei, ohne sie zu sehen. Erst als sie seinen Arm berührte, drehte er sich um und erkannte sie.
»A«, sagte er.
Er fasste sie beim Arm und musste sich zwingen, seine phantastische Freude nicht in die Welt hinauszuschreien. Mit einem Blick auf zwei ins Gespräch vertiefte Diplomaten, der liebevoller war als sonst – denn er gehörte zu ihnen, mehr denn je gehörte er zu ihnen! –, führte er sie zum Fahrstuhl, vergaß, sie zuerst eintreten zu lassen, drückte auf den Knopf und schloss die Augen.
»A«, sagte er wieder.
»Was hast du? Fühlt du dich nicht wohl?«
»Mitglied der Sektion A«, erklärte er mit erstickter Stimme. »Nein, nicht hier, nicht im Fahrstuhl. In meinem Büro, unter vier Augen.«
***
»Also«, begann er, bequem in seinem Sessel lehnend und an seiner Pfeife ziehend, um gegen die Erregung anzukämpfen, »also, es ist ein richtiges Märchen. Aber ich muss dir alles von Anfang an erzählen. (Er umgab sich mit einer Rauchwolke. Nur nicht weinen, der unempfindliche Sieger sein. Sie nicht zu oft anschauen, denn die Bewunderung, die er bald in ihren Augen lesen würde, drohte das ihm schon in der Kehle steckende Schluchzen zu befreien.) Also, ich trete ein, ein absolut prachtvoller Raum, Wandteppiche und das ganze Drum und Dran. Und er, imposant hinter seinem pompösen Schreibtisch, steinernes Gesicht, durchdringender Blick, und dann plötzlich ein Lächeln. Ich versichere dir, es war Liebe auf den ersten Blick, er hat einen wahnsinnigen Charme. Oh, ich fühle es, für einen solchen Kerl würde ich durchs Feuer gehen! Also Lächeln und dann Schweigen, aber ein Schweigen, sage ich dir, das kein Ende nahm, es dauerte vielleicht zwei Minuten! Ich muss gestehen, ich fühlte mich nicht sehr wohl dabei, aber ich konnte doch nicht reden, während er nachdachte, kurz, ich wartete. Und dann plötzlich etwas ziemlich Ungewöhnliches. Stell dir vor, er fragt mich doch einfach so, ob ich ihm etwas zu sagen hätte. Ich, überrascht, sage natürlich nein. Und da sagt er nur, genau das habe er sich gedacht. Um die Wahrheit zu sagen, ich verstand nicht so recht, was er damit sagen wollte, aber das ist nicht wichtig. Daraufhin ergreife ich, nicht dumm, mit unglaublicher Geistesgegenwart, das musst du anerkennen, die Gelegenheit beim Schopf und sage, eigentlich hätte ich ihm doch etwas zu sagen, nämlich, dass ich mich glücklich schätze, die Gelegenheit zu bekommen, ihm zu sagen, wie sehr ich mich freue, unter seinem Befehl zu dienen – wenn auch nur von weitem, fügte ich schlau hinzu, du verstehst doch, eine Anspielung darauf, in sein Kabinett aufgenommen zu werden. Kurz, ich habe es ihm geschickt serviert. Daraufhin reden wir von diesem und jenem, internationale Politik, Briands letzte Rede, und ich äußere jedes Mal meine Meinung, kurz, eine Unterhaltung. Und eine Unterhaltung in seinem prächtigen Büro, vor den Wandteppichen, also ein Gespräch unter Gleichgestellten, irgendwie mondän. So, aber warte, das ist noch nicht alles, es kommt noch besser. Stell dir vor, plötzlich nimmt er ein Blatt Papier und schreibt, und ich schaue zum Fenster hinaus, um nicht indiskret zu wirken. Und dann reicht er mir das Papier. Es war an die Verwaltung gerichtet! Und weißt du, was draufstand? Ich werde es dir sagen. Meine Beförderung! (Er holte tief Atem, schloss die Augen, öffnete sie wieder, zündete seine Pfeife an, um ein Schluchzen zu unterdrücken, und
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