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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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etwas fester, um ihr mehr Charme zu verleihen. Ohne einen Blick für seine Frau, mit vor Angst gelähmtem Geist, ein unschuldiges Lächeln auf den Lippen, Totenblässe auf einem Gesicht, von dem er mit all seinen dahinschwindenden Kräften hoffte, es möge geistreich, aber feierlich wirken, vornehm, aber lebhaft, kultiviert, aber energisch, ernst, aber erfreut, respektvoll, aber würdevoll, interessant, aber noch mehr bereits interessiert an den edlen, bedeutenden und fruchtbaren Ansichten, die es verdienten, sofort aufgeschrieben und als Gesetz akzeptiert zu werden, den heiligen Ansichten, die der ranghöhere Vorgesetzte äußern würde, dessen Sache er ebenso wie allen internationalen Angelegenheiten und Fragen treu ergeben war, beeilte sich der junge Beamte ehrerbietig und weltmännisch zugleich, den heiligen Ort zu betreten, mit dem liebenswürdigen Ausdruck administrativen Eifers, während sich sein Unterleib in einem unbegreiflichen, völlig unangebrachten und wirklich allzu ungerechten Bedürfnis verkrampfte.
    Mein Gott, war diese Tür weit weg! Fast bewusstlos, mit schwindelndem Kopf, im Rausch seines Sklaventums beschleunigte Adrien Deume seinen Schritt, vom Glauben an die internationale Zusammenarbeit beseelt, aber ebenfalls bereit, sich auf der Stelle für andere göttliche oder menschliche, frivole oder tragische Themen zu begeistern, wie es demjenigen gefiele, der in seinen Händen den Überfluss, das Manna der Beförderungen, der Dienstreisen und der Sonderurlaube hielt, aber auch die zerschmetternden Blitze der Verwarnung, des Verweises, des Tadels, der Ordnungsstrafe, der Gehaltskürzung, der Degradierung, der Amtsenthebung und der fristlosen Entlassung. Anbetend und verwirrt, schwebend, völlig von sich losgelöst, trat er ein, erhob den Blick, sah ganz hinten in dem riesigen Arbeitszimmer den Untergeneralsekretär und fühlte sich verloren.
    Saulnier schloss ehrerbietig die Tür, machte ein paar Schritte und lächelte Ariane zu, die er charmant fand, weil sie einen sympathischen und begabten Beamten begleitete. Als er sich umdrehte, sah er plötzlich, dass die Tür nur angelehnt war. Er eilte zu ihr und zog sie mit mütterlicher Behutsamkeit zu. Die Jupiterbrauen runzelnd, ließ er seine Unzufriedenheit an Octave, seinem Untergebenen und Prügelknaben, aus, einem mageren, langen Burschen mit schlaksigen Bewegungen.
    »Du kleiner Mistkerl«, zischte er ihn mit vor Hass verzerrtem Mund an, »warum hast du es mir nicht gesagt? Muss ich mich denn um alles kümmern? Und wenn der Chef sich erkältet, ist dir das egal, hm?«
    Erneut Ariane zulächelnd, trat er Octave kräftig auf das Hühnerauge; dieser zog ohne Protest seinen Stuhl zurück und fuhr in Zeitlupe fort, Papierschiffchen zu falten, kleinere natürlich als sein Vorgesetzter. Sie stand auf und bat Saulnier, ihrem Mann auszurichten, dass sie unten in der großen Halle auf ihn warten würde. Der Amtsdiener verneigte sich priesterlich und unendlich verständnisvoll, setzte sich wieder und wischte sich über die Stirn, denn er war müde. Dann fuhr er sich mit seinem Taschenkamm über das Bürstenhaar, über ein Blatt Papier gebeugt, das für seine Schuppen bestimmt war. Als sie sich in genügender Menge angesammelt hatten, freute er sich und blies darauf. Dann ergriff ihn eine ausgelassene Arbeitslust, und er steckte einen Bleistift in eine Brunswick, großes Modell, deren Kurbel Octave pflichtgemäß zu drehen begann. Von Zeit zu Zeit stoppte der Chef seinen Sklaven und prüfte die Spitze des Bleistifts. Als sie schließlich nach seinem Geschmack war, hob er die linke Hand, ließ ein napoleonisches »Halt« vernehmen und legte den Bleistift auf den Tisch.
    »Dreihundertfünfzig«, verkündete er, denn er führte Buch über alle Bleistifte, die er seit seinem Eintritt in das Generalsekretariat des Völkerbundes angespitzt hatte.

***

    Die Tür des Kabinetts öffnete sich, und Adrien war so kühn, sich zu weigern, als Erster hinauszugehen, dann aber auch zu gehorchen. Von den Blicken der Amtsdiener verfolgt, deren Papierschiffchen verschwunden waren, schritten die beiden Beamten durch die Halle, der Große redend und der Kleine zuhörend, den Kopf anbetend Solal zugewandt, der ihn plötzlich am Arm fasste.
    Keusch und schüchtern, überwältigt von dieser erhabenen Berührung und so viel Güte, schwebte Adrien Deume in köstlicher Verwirrung an der Seite seines Chefs, schwebte und zitterte bei dem Gedanken, er könnte stolpern oder aus dem Rhythmus

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