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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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Kommentar soll er haben, aber zu gegebener Zeit, zur Zeit A! Er nahm den Hörer ab und wählte die Nummer des Portiers.
    »Ein Taxi für Herrn Deume, sofort«, befahl er barsch und knallte den Hörer auf die Gabel.
    Den Hut verwegen schief auf dem Kopf, schlug er laut die Tür hinter sich zu. Auf dem Flur begegnete er einem B-Kollegen, einem kürzlich vom Internationalen Arbeitsamt übernommenen Arbeitstier, der seine alten Gewohnheiten beibehalten hatte und bis acht oder neun Uhr abends im Palais blieb. Er grüßte ihn besonders freundlich, widerstand erfolgreich dem Verlangen, ihm die große Neuigkeit mitzuteilen, und litt. Aber Vorsicht, man kann schließlich nie wissen. Solange eine Beförderung nicht am Brett der Personalveränderungen angeschlagen war, gab es keine Gewissheit, alles konnte noch rückgängig gemacht werden. Für den Augenblick war daher absolutes Stillschweigen geboten, niemandem etwas sagen, um keine Intrigen oder Proteste zu riskieren. Ab ersten Juni würde das Versäumte nachgeholt. Dann würde der Chrysler ab- und ein Cadillac angeschafft! Und für Ariane ein kleiner Fiat, nur für sie! Sie war doch nett heute gewesen, nicht wahr? Nun ja, die Frauen lieben eben Sieger, das ist ja bekannt.
    »Siehst du das?«, flüsterte er seinem Spiegelbild im Fahrstuhl zu. »Das, mein Lieber, ist ein A!«

ZWEITER TEIL

X

    Adrien Deume seufzte erleichtert auf, stolz, seinen Wagen gleich zwischen zwei Cadillacs geparkt zu haben. Er zog den Zündschlüssel heraus, vergewisserte sich, dass die Fenster hochgedreht waren, stieg aus, schloss die Tür ab, zog noch einige Male am Türgriff, um ganz sicher zu gehen, und betrachtete zärtlich seinen Wagen. Schon toll, sein Chrysler, blitzartige Beschleunigung. Leise, aber nervös. Den dicken Spazierstock unter dem Arm und den Aktenkoffer eines hohen Beamten in der Hand, ging er munter vor sich hin. Dienstag, der neunundzwanzigste Mai. In drei Tagen der erste Juni, A-Be amter mit einem Anfangsgehalt von zweiundzwanzigtausendfünfhundertfünfzig Goldfränkli und den jährlichen Erhöhungen bis zu insgesamt sechsundzwanzigtausend! Nicht zu verachten, was?
    In der großen Halle ging er mit gespielter Gleichgültigkeit zum Brett der Personalveränderungen, vergewisserte sich, dass niemand ihn beobachtete, und ergötzte sich wie an den vorigen Tagen noch einmal an den wunderbaren Worten, die seine Beförderung verkündeten. Geblendet und wie gebannt blieb er gleichsam in mystischer Verzückung einige Minuten vor dem heiligen Text stehen, prägte ihn sich ein, ließ seine Bedeutung auf sich einwirken und starrte darauf, bis ihm schwindelig wurde. Ja, er war es, er war es wirklich, dieser Deume dort, dieses Mitglied der Sektion A, mit Wirkung vom ersten Juni. In drei Tagen A! War es möglich? Ja, das Versprechen stand da, vor ihm, erhaben und offiziell!
    »Schatz«, sagte er zu seinem Gesicht im Spiegel des Fahrstuhls, der ihn zu seiner Arbeit brachte.
    Als er im vierten Stock ausstieg, sah er von weitem Garraud und ergötzte sich bereits an den Komplimenten, die er nun entgegennehmen würde. Doch Garraud, dieser arme B, hatte nicht den Mut, Theater zu spielen, und drehte sich um, um ihm nicht gratulieren zu müssen. Dafür gratulierte ihm der kürzlich zum A ernannte Castro, dem er kurz darauf begegnete, überaus warm und herzlich. Die beiden A, der neue und der künftige, unterhielten sich freundschaftlich, und als Castro über schreckliche Migräne klagte, empfahl Adrien ihm sofort seinen Arzt, den besten von Genf, wie alles, was ihm gehörte. Dann kritisierte man behutsam die hohen Sphären des Sekretariats und ihre Manie der ständigen Umorganisierung. Die im vorigen Jahr abgeschaffte kulturelle Abteilung war soeben wieder eröffnet worden, um wahrscheinlich im nächsten Jahr wieder in der Versenkung zu verschwinden. Man lächelte sich bedeutsam zu und schüttelte sich kollegial die Hand.
    »Eigentlich ein netter Typ, dieser Castro, sehr sympathisch«, murmelte Adrien, als er die Tür seines Büros hinter sich schloss.
    Ja, Castro auf die Liste der Leute setzen, die er unbedingt einladen musste. Und alle B, die einen jetzt deklassierten, streichen. Außer Kanakis, Neffe eines Ministers, der übrigens sicher auch bald A sein würde, das Schweinchen. Er öffnete den kleinen Schrank, um seine Arbeitsjacke herauszunehmen, besann sich dann aber. Nein, ein Mann, der in drei Tagen A sein würde, kann keine alte Jacke tragen. Ein A muss stets imponieren. Er drehte sich um

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