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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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und Ideen verlangen! (Er schlug sich kräftig gegen die Stirn.) Oh, jetzt habe ich die Hauptsache vergessen! Da er so freundlich war, habe ich mir gesagt, schmiede das Eisen, solange es heiß ist, und habe ihn zum Diner eingeladen! Und damit er wirklich annimmt, habe ich mir zu sagen erlaubt, dass du dich sehr glücklich schätzen würdest und so weiter, und ich habe sogar gesagt, da du gewusst hättest, dass ich zu ihm gehe, hättest du darauf bestanden, dass ich ihn einlade, kurz, ich habe sozusagen an seine Galanterie appelliert. Gar nicht dumm von mir, hm? Was willst du, manchmal muss man eben ein bisschen diplomatisch sein. Daraufhin hat er zugesagt, allerdings für den ersten Juni, also in einem Monat, denn vorher sei er nicht frei, du kannst dir ja denken, wie man sich um ihn reißt! Es sei denn, er hat den ersten Juni gewählt, weil es mein erster Tag als A ist, was besonders aufmerksam von ihm wäre, findest du nicht? Hör mal, da müssen wir für jeden Gang einen anderen Wein servieren. Ich habe eine Liste der besten Jahrgänge in meiner Kartei. Und du, mein Liebes, erscheinst in großer Aufmachung, im Abendkleid, wie es sich eben für die Gemahlin eines A gehört. Bei Tisch sitzt er natürlich zu deiner Rechten, und du im großen Dekolleté, ganz bezaubernd! Zufrieden, Rianounette, eine hohe Persönlichkeit zum Diner zu empfangen? Du sagst ja gar nichts?«
    »Ich habe Kopfschmerzen, ich muss nach Hause«, sagte sie und stand auf.
    »Aber gewiss doch, ich fahre dich schnell.«
    »Nein, ich muss allein sein. Ich werde bald unpässlich sein.«
    Er begriff sofort. Er wusste, dass Vorsicht geboten war, wenn sie diesen gefürchteten Satz aussprach, der jeden Monat Gefahren, Überempfindlichkeiten, Launen und Tränen beim geringsten Anlass verhieß. Sie war dann ungenießbar, besonders am Tag davor. Sich still verhalten, zu allem ja und amen sagen, ganz brav und artig sein.
    »Wie du willst, Liebling«, sagte er diskret und rücksichtsvoll wie wir alle bei derartigen Gelegenheiten, und ohnmächtig wie wir alle, meine Brüder, angesichts der unmittelbaren Ankunft des geheimnisvollen Drachens der Weiblichkeit. »Du hast recht, mein Engel, fahr nur nach Hause und nimm ein Bad, das wird dir gut tun. Zum Glück bist du mit dem Wagen gekommen. Willst du nicht vorher vielleicht noch Aspirin nehmen? Ich habe welches hier. Nein? Schön, mein Schatz, einverstanden. In dem Fall bleibe ich noch ein bisschen, es ist acht Uhr fünf, aber was soll ich machen! Ich muss mich ja endlich mit diesem Memo befassen. Ich werde spät nach Hause kommen, um elf, vielleicht Mitternacht Aber was soll’s. Noblesse A oblige! (Zungenschlag über die Lippe.) Soll ich dich nach unten begleiten?«
    »Nein danke.«
    »Wie du willst. Also auf Wiedersehen, mein Liebling. Sag Mammi und Papi, ich wäre aufgehalten worden, höhere Gewalt, aber erzähl ihnen nichts von meiner Beförderung, ich will der Erste sein, der es ihnen sagt.«
    Als seine Frau gegangen war, beugte er sich über das britische Memorandum. Doch auf der vierten Seite hob er den Kopf. Das Foto mit Widmung des U.G.S. hier auf seinem Schreibtisch oder lieber zu Hause im Salon? Hier auf dem Schreibtisch würde es Vauvau die Sprache verschlagen, aber zu Hause im Salon würde es sich natürlich auch nicht schlecht machen, da konnte er den Besuchern einmal zeigen, welche Beziehungen er hatte. Beide Lösungen hatten ihr Gutes. Ihn um zwei Fotos mit Widmung bitten? Nein, das würde komisch wirken.
    »Eureka!«
    Aber natürlich, ganz einfach, wenn er abends Besuch zu Hause erwartete, würde er das Foto versteckt in seinem Aktenkoffer aus dem Büro mitnehmen und vor der Ankunft der Gäste im Salon aufhängen, und am nächsten Morgen würde er es wieder ins Büro zurückzubringen! Zwei Fliegen mit einer Klappe! Wie spät? Acht Uhr neunzehn.
    Er schloss das Memorandum. Nein und nochmals nein, er hatte einen Mordshunger. Er würde doch nicht verhungern, nur weil es dem Herrn Vauvau so gefiel. Es gab schließlich Wichtigeres als diese Hirngespinste des verdammten Colonial Office. Zum Beispiel Papis und Mammis Gesicht, wenn sie die Nachricht hören würden! Nach Hause kommen und zuerst den Verzweifelten spielen, sagen, man habe ihn degradiert, er sei in die Hilfsabteilung versetzt worden, und dann plötzlich die Nachricht! Umarmungen! Mammis Tränen! Champagner! Da kann das Memo warten! Schließlich war er in vier Wochen ein A! Moralisch war er bereits ein A! Vauvau konnte ihn mal! Schön, seinen

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