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Die Schöne des Herrn (German Edition)

Die Schöne des Herrn (German Edition)

Titel: Die Schöne des Herrn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Albert Cohen
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sitzend gesehen hatte. Und hatte der U.G.S. ihm nicht auf die Schulter geklopft? Ein kräftiger Schlag, er wäre fast umgefallen! Nein, es war alles in Ordnung. Vielleicht würde der U.G.S. ihm einen interessanten Vorschlag unterbreiten, ihn bitten, in seinem Kabinett zu arbeiten, im Zentrum der Macht also! Menschenskind, diese Cocktails hatten es in sich, ihm war ganz komisch zumute. Aber nicht unangenehm, durchaus nicht unangenehm, dachte er, verliebt lächelnd.
    »Ja, mein Lieber, er hat etwas Gutes mit dir vor, glaub mir, mein Alter, du wirst sehen, alles wird garantiert gut verlaufen. Schließlich bin ich ein Intellektueller. Also Aktionsplan, ich trete ein, grüße und verneige mich, aber nicht zu tief, und lächle, ein angedeutetes Lächeln, keine Spur von Unterwürfigkeit. Er bittet mich, Platz zu nehmen, ich setze mich, schlage die Beine übereinander, wir reden. Du wirst sehen, alles wird gut gehen. Ich werde das Gespräch auf die jüdische Agentur für Palästina lenken, das wird ihn interessieren. Nein, das könnte ihn kränken, er könnte darin eine Anspielung sehen. Worauf es ankommt, ist, sich sympathisch zu machen, ein bisschen Humor, eine schlagfertige Antwort, Geistesgegenwart, ein lateinisches Zitat, um zu zeigen, dass ich nicht der Erstbeste bin.
Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando.
Mir meines Wertes bewusst sein, das ist es. Man glaubt nur denen, die an sich glauben. Liebenswürdig, ja, aber auch mit leicht autoritärem Ton, damit er merkt, dass ich eine Abteilung leiten kann. »›Meine persönliche Meinung, Herr Untergeneralsekretär, ist, dass die Politik in dieser Angelegenheit wie folgt zusammengefasst werden kann.‹«
    Ein verdammt langer Titel, dieses Untergeneralsekretär, dass man sich da bloß nicht verspricht! Es so schnell wie möglich aussprechen, aber ohne die Silben zu verschlucken. Sechs Uhr fünfundfünfzig, gerade noch Zeit, die unerlässliche Vorsichtsmaßnahme zu treffen. Sich so vollständig wie möglich erleichtern, um im Vollbesitz seiner geistigen Fähigkeiten zu sein.
    »Schnell!«
    Er stand mit gespreizten Beinen vor der weißen Porzellanwand, die Augen leicht vom Alkohol getrübt, lächelte vor Wohlbehagen und deklamierte, während er sich erleichterte: »Herr Untergeneralsekretär, ich schätze mich glücklich, dass ich die Gelegenheit bekomme, Ihnen meine Gedanken über die Regeneration der eingeborenen Rassen zu erläutern.« Er begann den Satz noch einmal und ersetzte »Gedanken« durch »persönliche Ansichten«. Als er fertig war, prüfte er zweimal die absolute Korrektheit eines gewissen Teils seiner Kleidung. Er knöpfte sogar noch einmal auf, um sicher zu sein, dass er richtig zuknöpfte, und vergewisserte sich, dass jeder einzelne Knopf im Knopfloch saß, um nicht kurz vor dem Betreten des Büros des U.G.S. grundlos von lähmender Angst befallen zu werden.
    »Zugeknöpft, vollständig zugeknöpft«, murmelte er. »Gesehen, festgestellt und offiziell geprüft.«
    In sein Büro zurückgekehrt, packte ihn erneut die Panik. Noch schnell eine Notiz in zwei Teilen? Klein a, mögliche Antworten im Falle eines Anraunzers. Klein b, anzuschneidende Themen im Falle des Nichtangeraunztwerdens. Ja, auf einem Zettel, den er versteckt halten würde. Nein, sieben Uhr drei, zu spät!
    »Schließlich kann er mich nicht entlassen, ich habe einen Dauervertrag. Schlimmstenfalls riskiere ich einen Tadel, falls Vauvau sich beklagt haben sollte. Ab jetzt sofortige Erledigung aller Arbeiten.«
    Er kämmte und bürstete sich fieberhaft. Nachdem er noch einmal Benzin auf seinen Ärmel gegossen hatte, zog er sein Ziertaschentuch heraus, schob es wieder hinein, zog es wieder heraus und betrachtete die Wirkung in der Fensterscheibe. Endlich verließ er das Zimmer, ein kränkliches Lächeln auf den Lippen und auf schwachen Beinen. Nach Benzin riechend, war er so verwirrt, dass er nicht einmal daran dachte, die Beamten, die ihm entgegenkamen, je nach Rang mit einem Lächeln oder einem leichten Kopfnicken zu grüßen, wo es doch seine Lebensregel war, sich mit allen gut zu stellen, denn Höflichkeit kostet nichts, kann aber viel einbringen.

VIII

    Im ersten Stock angekommen, holte er tief Luft, als er sie dort sitzen sah. »Sieben Uhr vierzehn, ich gehe jetzt », sagte er im Vorbeigehen zu ihr, ohne stehenzubleiben, und ging auf den Amtsdiener zu, der bequem in seinem Sessel saß und sich an einem Krimi ergötzte. »Haben Sie einen Termin?«, fragte Saulnier in zugleich

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