Die schöne Diebin
Leben, um den Bedürftigen zu helfen.
Einer Eingebung folgend, hielt er den Wagen an und sprang vom Bock. „Bitte, warten Sie einen Moment lang!“, rief er Nora zu, ehe er auf eines der Häuser zustrebte, die den Straßenrand säumten.
Eine Viertelstunde mochte vergangen sein, bis Brandon zurückkehrte. Er setzte sich neben Nora, zog sich die Decke über die Beine, gab dem Pferd das Zeichen anzuziehen und sagte: „Ich hoffe, jetzt sind Sie endlich zufrieden. Der Mann, den ich gerade aufgesucht habe, ist der Besitzer von mehreren Geschäften in Manchester. Ich habe ihn beauftragt, die Familien, die wir heute besucht haben, mit Lebensmitteln und Kleidung zu versorgen. Bis zum Beginn des Frühjahrs werden sie nicht hungern und frieren müssen.“
Seine Begleiterin schwieg.
Auch Brandon versank in Schweigen. Während er über das nachdachte, was er getan hatte, wurde ihm klar, dass er sich einer Selbsttäuschung hingegeben hatte. Als er vom Wagen sprang, um mit dem reichen Kaufmann zu verhandeln, war er fest davon überzeugt gewesen, aus eigenem Antrieb zu handeln. Jetzt hingegen musste er sich eingestehen, dass er vermutlich genau das getan hatte, was The Cat wollte. Wahrscheinlich hatte sie ihn mitgenommen, um ihn genau dazu zu bringen. Die Summe, die er gerade ausgegeben hatte, um die Armen zu unterstützen, war deutlich größer als dreihundert Pfund.
Kein Wunder, dass die Katze versprochen hat, mir den Ring nach unserem gemeinsamen Ausflug nach Manchester zurückzuerstatten. Sie hat mehr bekommen, als sie ursprünglich zu hoffen wagte. Das kleine Biest!
Andererseits bewunderte er ihre Menschenkenntnis. Woher hatte sie nur gewusst, wie er reagieren würde? Sein Zorn verflog. Brandon lachte leise auf. Es war eine neue Erfahrung für ihn, so manipuliert zu werden. Aber er gönnte The Cat den Sieg. „Sie haben ein gewagtes Spiel gespielt“, meinte er. „Dreihundert Pfund, die Ihnen sicher waren, gegen die vage Möglichkeit, dass ich mich dazu entschließen könnte, Ihre Arbeit zu unterstützen … Ich bewundere Ihren Mut.“
Noch während er sprach, spürte er, wie ein weiteres ungewohntes Gefühl sich in ihm regte. Neid?
Wie glücklich müssen die Bedürftigen sein, dass es jemanden gibt, der mit solcher Hingabe für sie sorgt. Wäre es nicht wunderbar, einen Menschen zu haben, der sich mir und meinem Wohlergehen mit ähn licher Hingabe widmet?
Ein wenig beschämt über diesen Gedanken rief er sich selbst zur Ordnung und wandte sich noch einmal an The Cat. „Ich begreife Ihre Beweggründe trotzdem nicht ganz. Es muss Ihnen doch klar sein, dass man Sie eines Tages erwischen und hart bestrafen wird. Sie können diesen gefährlichen Weg nicht für immer weitergehen!“
„Solange ich ihn gehe, kann ich viel Gutes tun. Für mich gibt es keine Alternative dazu.“
„Sie sollten aufhören, ehe es zu spät ist.“
Sie lachte, aber es war kein fröhliches Lachen. „Ach, Stockport, es ist doch längst zu spät. Selbst wenn ich nie wieder irgendwo einbrechen würde, könnte man mich hängen für das, was ich in der Vergangenheit getan habe. Warum also sollte ich nicht weitermachen, solange das möglich ist!“
Er wusste nicht, was er darauf erwidern sollte.
Als sie die Stelle erreichten, wo die Stockport Road von der Hyde Road abzweigte, hielt Brandon den Wagen an. Er reichte seiner Begleiterin die Zügel, sprang vom Bock und stieg auf seinen Hengst, der die ganze Zeit über sicher angebunden hinter dem Wagen gegangen war.
„Ich werde dafür sorgen, dass Sie den Ring morgen zurückerhalten“, versprach Nora.
„Gut.“ Er ritt los.
„Stockport!“, hörte er sie hinter sich rufen. „Warum haben Sie das getan?“
Er brachte sein Pferd zum Stehen und wandte sich noch einmal um. Er wusste, dass sie von seinem Entschluss sprach, die Armen mit Lebensmitteln versorgen zu lassen. „Ich habe es für Sie getan. Damit Sie nicht weiter auf Raubzug gehen.“
„Aber wenn ich nicht stehle, können Sie mich nicht auf frischer Tat erwischen.“
„Eben!“ Er lachte leise auf. „Frohe Weihnachten!“
Nach einem kurzen Galopp ließ Brandon sein Pferd wieder langsam gehen. Die Gefahr, dass es im Dunkeln in ein Loch trat und sich das Bein brach, war zu groß. Er durfte nicht unvernünftig sein, nur weil er das Gefühl hatte, ein wilder Ritt könne ihm helfen, sich über seine Gedanken und Gefühle Klarheit zu verschaffen oder seine Verwirrung einfach zu vergessen.
Verflixt, wie hatte er sich nur in eine so
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