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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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du vielleicht andere Themen finden? Denk mal richtig scharf nach, und du wirst sehen, daß man auch von anderen Dingen reden kann.«
    »Gut«, sagte Lucien. »Wollen Sie heute abend wieder Auto fahren?« fragte er nach kurzem Schweigen.
    »Nein«, sagte Alexandra lächelnd. »Leguennec hat mir mein Auto heute morgen weggenommen. Aber es kommt Wind auf, und ich mag den Wind. Es wäre eine gute Nacht gewesen, um zu fahren.«
    »Das geht mir nicht in den Kopf«, sagte Lucien. »Nur so Auto fahren, ohne Ziel. Offen gestanden, ich sehe nicht, wozu das nützen soll. Können Sie die ganze Nacht so fahren?«
    »Die ganze Nacht? Weiß ich nicht... Ich mach das jetzt seit elf Monaten, immer wieder. Bis jetzt habe ich immer gegen drei Uhr morgens aufgegeben.«
    »Aufgegeben?«
    »Aufgegeben. Dann fahre ich zurück. Eine Woche später geht es wieder los, ich denke, diesmal wird es funktionieren. Und es klappt wieder nicht.«
    Alexandra zuckte mit den Schultern und strich ihre kurzen Haare hinter die Ohren. Marc hätte das gerne selbst übernommen.

 
     
21
     
    Niemand wußte, wie Juliette es anstellte. Jedenfalls zog Alexandra am nächsten Tag in das kleine Gartenhaus. Marc und Mathias halfen ihr beim Tragen ihrer Sachen. Durch diese Ablenkung begann Alexandra sich zu entspannen. Marc, der den Aufruhr beobachtete, den die traurigen Geschichten auf ihrem Gesicht bewirkten und der für das Auge des Kenners leicht zu entdecken war, sah erfreut, daß er wieder verschwand, auch wenn er wußte, daß es nur eine vorübergehende Pause sein konnte. Eine Pause, während der Alexandra sagte, man könne sie Lex nennen und sie duzen.
    Lucien rollte seinen Teppich zusammen, um ihn wieder an sich zu nehmen, und murmelte, daß das Kräfteverhältnis auf dem Terrain immer komplexer werde, da die Westfront sich tragischerweise um eine entscheidende Bewohnerin reduziert habe und nur ein zweifelhafter Ehegatte vor Ort zurückgeblieben sei, während sich die Ostfront, die bereits durch Mathias’ Wechsel in das Tonneau an Gewicht gewonnen habe, nun noch durch eine neue Verbündete mit Kind verstärkt würde. Eine Verbündete noch dazu, die ursprünglich die Westfront besetzen sollte, bislang auf neutralem Gebiet zurückgehalten wurde, aber bereits in Richtung östliches Grabensystem desertiere.
    »Hat dich dein bescheuerter Weltkrieg total verrückt gemacht?« fragte Marc, »oder kauderwelschst du hier herum, weil du den Aufbruch von Alexandra bedauerst?«
    »Ich kauderwelsche nicht im geringsten«, erwiderte Lucien. »Ich lege meinen Teppich zusammen und kommentiere das Ereignis. Lex – sie hat gesagt, wir sollten sie Lex nennen – wollte von hier weg und befindet sich nun faktisch in unmittelbarer Nähe. In unmittelbarer Nähe ihres Onkels Pierre, in unmittelbarer Nähe vom Epizentrum des Dramas. Was sucht sie? Es sei denn, du hättest die Operation Gartenhaus angezettelt«, bemerkte er und richtete sich mit seinem Teppich unter dem Arm auf.
    »Warum hätte ich das tun sollen?« fragte Marc, in die Defensive geraten.
    »Um sie im Auge zu behalten oder in Reichweite, ganz nach Belieben. Ich neige zur zweiten Variante. Glückwunsch jedenfalls. Es hat funktioniert.«
    »Lucien, du nervst.«
    »Warum? Du willst sie, und, stell dir vor, das sieht man sogar. Paß bloß auf, daß du nicht auf die Schnauze fällst. Du vergißt gerade, daß wir in der Scheiße sitzen. Wir alle. Und wenn man in der Scheiße sitzt, neigt man dazu, auszurutschen. Man muß vorsichtig gehen, Schritt für Schritt, fast auf allen vieren. Bloß nicht wie ein Verrückter rennen. Nicht daß ich glauben würde, daß der arme Kerl, der in seinem schlammigen Schützengraben steckt, keine Zerstreuung brauchte. Im Gegenteil. Aber Lex ist viel zu hübsch, zu anrührend und zu intelligent, als daß man hoffen könnte, es bliebe bei der einfachen Zerstreuung. Du wirst dich nicht zerstreuen, du gehst das Risiko ein, zu lieben. Katastrophe, Marc, Katastrophe.«
    »Und warum Katastrophe, du Soldatenidiot?«
    »Weil du als mit höfischer Liebe vollgestopfter Idiot genau wie ich den Verdacht hast, daß Lex mit ihrem Kind rausgeworfen worden ist. Oder sowas in der Art. Wie ein blöder Seigneur auf seinem Streitroß sagst du dir also, daß ihr Herz leer ist und dieser Platz besetzt werden kann. Eine gravierende Fehleinschätzung, glaub mir.«
    »Hör mir mal gut zu, du Schützengrabenidiot. Über die Leere weiß ich mehr als du. Und die Leere nimmt mehr Raum ein als jede beliebige

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