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Die schöne Diva von Saint-Jacques

Die schöne Diva von Saint-Jacques

Titel: Die schöne Diva von Saint-Jacques Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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einfache und wohltuende Handlung. Vandoosler der Ältere hatte sich nie für Plattentektonik interessiert, obwohl Marc ihm häufig davon erzählt hatte. Marc hatte keine Lust, immer noch auf der Treppe zu sitzen, wenn er zurückkommen würde. Er ging rasch hinauf, öffnete das Fenster, um es ein bißchen kühler zu haben, und ging schlafen. Warum hatte der Pate eine Plastiktüte dabei, wenn er draußen pinkeln wollte?

 
     
20
     
    Am nächsten Tag nahmen Marc und Lucien Alexandra mit zu Juliette zum Abendessen. Die Verhöre hatten begonnen, sie schienen zäh, langwierig und unergiebig zu werden.
    Am Vormittag war Pierre Relivaux zum zweiten Mal drangewesen. Vandoosler gab alle Informationen weiter, die ihm Inspektor Leguennec lieferte. Ja, er hatte eine Geliebte in Paris, aber er verstand nicht, was sie das anging und woher sie es wüßten. Nein, Sophia hatte es nie erfahren. Ja, er erbte ein Drittel ihres Vermögens. Ja, das war eine gewaltige Summe, aber es wäre ihm lieber gewesen, Sophia wäre am Leben geblieben. Wenn sie ihm nicht glauben würden, dann sollten sie ihm doch den Buckel runterrutschen. Nein, Sophia hatte keine persönlichen Feinde. Einen Liebhaber? Das sollte ihn wundern.
    Danach war Alexandra Haufman drangewesen. Alles viermal hintereinander sagen. Ihre Mutter erbte ein Drittel von Sophias Vermögen. Aber ihre Mutter konnte ihr nichts abschlagen, nicht wahr? Sie kam also in den direkten Genuß des Geldstroms, der sich über ihre Familie ergoß. Ja, sicher, und was weiter? Warum war sie nach Paris gekommen? Wer könnte die Einladung von Sophia bestätigen? Wo war sie in der vergangenen Nacht? Nirgends? Schwer zu glauben.
    Das Verhör mit Alexandra dauerte drei Stunden.
    Am späten Nachmittag war dann Juliette drangewesen.
    »Juliette scheint nicht gerade gutgelaunt«, sagte Marc zwischen zwei Gängen zu Mathias.
    »Leguennec hat sie verärgert«, erwiderte Mathias. »Er wollte nicht glauben, daß eine Sängerin mit einer Bistrotbesitzerin befreundet sein kann.«
    »Glaubst du, Leguennec hat das absichtlich gesagt, um sie zu zermürben?«
    »Vielleicht. Wenn er die Absicht hatte, sie zu verletzen, ist ihm das jedenfalls gelungen.«
    Marc beobachtete Juliette, die schweigend Gläser wegräumte.
    »Ich geh zu ihr und rede mit ihr«, sagte Marc.
    »Nicht nötig«, wandte Mathias ein. »Ich habe schon mit ihr geredet.«
    »Vielleicht haben wir nicht denselben Wortschatz?« fragte Marc und kreuzte für einen kurzen Moment Mathias’ Blick.
    Er stand auf und ging zwischen den Tischen hindurch zur Theke.
    »Mach dir keine Sorgen«, murmelte er Mathias im Weggehen noch zu, »ich habe ihr nichts Besonderes zu sagen. Ich will sie nur um einen großen Gefallen bitten.«
    »Mach, wie du willst«, erwiderte Mathias.
    Marc stützte sich mit den Ellbogen auf die Theke und winkte Juliette zu sich.
    »Hat dir Leguennec weh getan?« fragte er.
    »Ist nicht so schlimm, darin habe ich Übung. Hat Mathias es dir erzählt?
    »Angedeutet. Bei Mathias ist das schon viel. Was wollte Leguennec wissen?«
    »Denk mal nach, das ist nicht schwer. Wie kann eine Sängerin nur mit einer Tochter von Dorfkrämern reden? Ja und? Die Großeltern von Sophia haben Ziegen gehütet wie alle anderen.«
    Juliette hörte auf, hinter der Theke auf und ab zu gehen.
    »In Wirklichkeit«, sagte sie lächelnd, »ist es meine Schuld. Er hat so ein verächtlichskeptisches Bullengesicht, und da habe ich angefangen, mich wie ein Kind zu rechtfertigen. Ich habe gesagt, daß Sophia Freundinnen in gesellschaftlichen Kreisen hatte, zu denen ich keinen Zugang hatte, und auch, daß das nicht unbedingt die Frauen waren, mit denen sie wirklich reden konnte. Aber er behielt sein skeptisches Gesicht.«
    »Das ist eine Masche«, bemerkte Marc.
    »Vielleicht, aber sie funktioniert gut. Denn anstatt nachzudenken, habe ich mich lächerlich gemacht: Ich hab ihm meine Bücher gezeigt, um ihm zu beweisen, daß ich lesen kann. Um ihm zu zeigen, daß ich in all den Jahren und in all der Einsamkeit gelesen und wieder gelesen habe, Tausende von Seiten. Daraufhin hat er sich die Regale angesehen und hat sich langsam an den Gedanken gewöhnt, daß ich mit Sophia befreundet gewesen sein könnte. Arschloch!«
    »Sophia sagte einmal, sie würde kaum lesen«, meinte Marc.
    »Eben. Und ich hatte keine Ahnung von Opern. So haben wir uns ausgetauscht, haben in der Bibliothek gesessen und diskutiert. Sophia hat es bedauert, den Zugang zum Lesen ›verpaßt‹ zu haben. Manch

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