Die schöne Diva von Saint-Jacques
würden sie in der Scheiße sitzen. So wie sie. Pierre hatte ihr versprochen, eine Arbeit für sie zu finden. Pierre glauben, seinen Worten glauben. Alexandra zog eilig ihre Stiefel an und schnappte sich ihre Jacke. Was mochte nur nach »Stegreif, Reifezeit, Zeitvertreib« kommen? Zuviel Weinen macht den Kopf ganz matschig. Sie kämmte sich die Haare mit den Fingern und eilte zur Schule.
Im Tonneau waren zu dieser Zeit wenig Gäste, und Mathias gab ihr den kleinen Tisch am Fenster. Alexandra hatte keinen Hunger und bat Mathias, nur dem Kleinen etwas zu bringen. Während Cyrille aß, ging sie lächelnd zu Mathias an die Theke. Mathias fand, dieses Mädchen sei ganz schön tapfer, und hätte es lieber gesehen, wenn sie etwas gegessen hätte. Um die Tapferkeit zu stärken.
»Weißt du, wie es nach ›Stegreif, Reifezeit, Zeitvertreib weitergeht?« fragte sie ihn.
»Nein«, antwortete er. »Ich hab was anderes gesagt, als ich klein war. Willst du’s hören?«
»Nein, das verwirrt mich nur.«
»Ich kenn deine Version«, bemerkte Juliette, »aber ich erinnere mich nicht mal mehr an den Anfang.«
»Es fällt dir schon irgendwann wieder ein«, sagte Alexandra.
Juliette hatte ihr auf einer Untertasse ein paar Oliven gebracht, die Alexandra knabberte, während sie an ihre alte Großmutter dachte, die für schwarze Oliven eine nahezu religiöse Verehrung hatte. Sie hatte die alte Andromache und ihre verdammten Lebensweisheiten, die sie bei jeder Gelegenheit von sich gab, wirklich vergöttert.
Alexandra rieb sich die Augen. Sie floh, sie träumte. Sie mußte sich wieder fangen, sie mußte reden. »Die Griechen sind stolz.«
»Sag mal, Mathias«, bemerkte sie, »als ich Cyrille heute morgen angezogen habe, sah ich, wie der Kommissar mit Leguennec verschwand. Gibt’s was Neues? Weißt du was?«
Mathias sah Alexandra an. Sie lächelte, aber es schien, als sei ihr noch vor kurzem eher schwach zumute gewesen. Das Beste wäre, zu reden.
»Vandoosler hat nichts gesagt, als er gegangen ist«, meinte er. »Aber dafür sind Marc und ich auf einen merkwürdigen Typen gestoßen. Ein gewisser Christophe Dompierre aus Genf, sehr seltsam. Was er erzählt hat, war ziemlich konfus, eine Geschichte, die fünfzehn Jahre her ist und die er ganz allein aufzuklären hofft, gleichzeitig mit dem Mord an Sophia. Eine alte Sache, die ihm nicht aus dem Kopf geht. Aber bloß kein Wort zu Leguennec, das haben wir ihm versprochen. Ich weiß nicht, was er im Sinn hat, aber ich fände es blöd, ihn zu verraten.«
»Dompierre? Das sagt mir nichts«, sagte Alexandra. »Was hat er sich denn hier erhofft?«
»Relivaux zu sehen, ihm ein paar Fragen zu stellen, herauszufinden, ob er vor kurzem unerwarteten Besuch hatte. Na ja, es war nicht ganz klar. Kurz, er wartet auf Relivaux, das ist eine fixe Idee.«
»Er wartet auf ihn? Aber Pierre ist für ein paar Tage weg... Hast du ihm das nicht gesagt? Hast du das nicht gewußt? Man kann den Typen doch nicht den ganzen Tag auf der Straße auf und ab gehen lassen, auch wenn er konfus ist.«
»Marc hat es ihm gesagt. Mach dir keine Sorgen, wir wissen, wo wir ihn erreichen können. Er hat ein Hotelzimmer in der Rue de la Prévoyance Straße der Vorsehung, ein hübscher Name, nicht? Metrostation Danube... Dir wird das sicher nichts sagen, es liegt in einer völlig entlegenen Ecke der Stadt, wohl eine Kindheitserinnerung von dem Typen. Wirklich ein eigenartiger Kerl, er hat sich da richtig rein verbissen. Er war sogar schon bei deinem Großvater in Dourdan. Wir sollen ihm Bescheid geben, sobald Relivaux zurückkommt, das ist alles.«
Mathias kam um die Theke herum, brachte Cyrille ein Joghurt und ein Stück Kuchen und fuhr ihm flüchtig durchs Haar.
»Der Kleine ißt mit gutem Appetit«, sagte Juliette. »Da bin ich froh.«
»Sagt dir das was, Juliette?« fragte Mathias, als er wieder an die Theke kam. »Ein unerwarteter Besuch? Hat Sophia dir nichts erzählt?«
Juliette schüttelte den Kopf, während sie eine Weile nachdachte.
»Überhaupt nichts«, sagte sie. »Außer der berühmten Karte mit dem Stern war da nichts. Jedenfalls nichts, was sie beunruhigt hätte. Das hat man Sophia immer leicht angesehen, und ich denke, daß sie es mir auch gesagt hätte.«
»Nicht unbedingt«, erwiderte Mathias.
»Du hast recht, nicht unbedingt.«
»Es füllt sich allmählich, ich geh mal die Bestellungen aufnehmen.«
Juliette und Alexandra blieben einen Augenblick an der Theke stehen.
»Wie wäre es mit
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