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Die schoene Frau Seidenman

Die schoene Frau Seidenman

Titel: Die schoene Frau Seidenman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrzej Szczypiorski
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sagte er. »Und mach einen Bogen um mich!«
      Er nahm Joasia bei der Hand und sagte: »Der Herr ist krank, er ist im Kopf durcheinander.«
    Sie verließen den Hauseingang. Der Schöne Lolo richtete sich mühsam auf. Aber gehen konnte er noch nicht. Er lehnte an der Wand und holte mühsam Atem. Aus seiner Nase floß Blut. Er war voller Schmerzen, gedemütigt und haßerfüllt.
      Zwanzig Jahre später sollten sich die beiden Männer erneut treffen. Wiktor Suchowiak hatte gerade als vorzeitig gealterter Mensch, als Auswurf der Gesellschaft und Reaktionär das Gefängnis verlassen. Doch die Staatsmacht, getrieben von der Mission, die menschliche Natur zu reparieren, gab dieses unglückliche Produkt des Kapitalismus nicht verloren. Wiktor Suchowiak wurde einer Fabrik für Baumaterialien zugewiesen, wo er die Bedienung einer Betonmischmaschine übernehmen sollte. Mit Beton – außer mit dem Zellenfußboden – hatte er nie im Leben etwas zu tun gehabt, besaß aber einen findigen Kopf und einen harten Charakter, konnte darum hoffen, irgendwie klar zu kommen. Letzten Endes erwartete er nicht mehr viel vom Leben. Auf die Zuweisung starrend, begab er sich zum Personalleiter des Betriebes. Dieser empfing ihn kühl, wie er das gewöhnlich bei neuen Mitarbeitern mit dunkler, krimineller Vergangenheit tat. Er las die Zuweisung, verzog das Gesicht und legte das Papier auf die Glasplatte seines Schreibtisches. Der Schreibtisch war breit, ein wenig abgenutzt. Auch der Leiter war ein wenig abgenutzt, sein Gesicht gedunsen, das weiche, helle Haar etwas schütter. Die Sonne schien ins Zimmer, der Tag war sommerlich, der Himmel wolkenlos. Wiktor Suchowiak betrachtete den Leiter und schwieg. Der Leiter fragte: »Haben Sie je beim Beton gearbeitet?«
      »Nein«, antwortete Wiktor Suchowiak. »Aber der Mensch kann alles lernen.«
    Der Leiter nickte ziemlich skeptisch.
    »Was haben Sie da abgesessen?« erkundigte er sich.
      »Dort steht es«, antwortete Suchowiak. »Überfall und Körperverletzung.«
    »Was hatten Sie davon, Suchowiak. Ist es nicht besser, redlich für die Heimat, für die Gesellschaft zu arbeiten? Ich hoffe, ich täusche mich in Ihnen nicht, Suchowiak. Man schickt mir solche Leute wie Sie, und ich habe dann nur Ärger. Aber Sie haben gute Augen, also stellen wir Sie ein. Für eine Probezeit, versteht sich. Dieser Überfall war wohl das erste Mal, nicht wahr?«
      Wiktor Suchowiak lächelte und entgegnete: »Nein, das zweite Mal. Beim ersten Mal habe ich im Kriege einen Szmalcownik auf der Miodowa-Straße in Warschau in die Mangel genommen.«
      Der Leiter erblaßte plötzlich, biß sich auf die Lippen und blickte Wiktor wachsam in die Augen.
    »Wovon reden Sie?« sagte er ganz leise.
      »Von uns«, antwortete Wiktor Suchowiak. »Ich habe dich damals nach Strich und Faden verprügelt!«
      »Was reden Sie da!« rief der Leiter. Seine Hände zitterten. »Was geht mich das an? Was bilden Sie sich ein, Suchowiak? Meinen Sie, das Wort eines Kriminellen zählt hier? Ihre Verleumdung würde hier etwas ändern?«
      »Ich denke mir gar nichts, aber ich kenne das Leben«, antwortete Wiktor Suchowiak. »Wenn die anfangen, rund um dich nachzugraben, du Miststück, dann kommst du nicht mehr davon. Ob sie mir glauben werden? Bestimmt werden sie mir glauben. In denen steckt verdammt viel Sehnsucht danach, Gerechtigkeit zu üben. Keine Partei hilft dir dann, keine Stellung.«
      »Nicht so laut«, knurrte der Leiter. »Was hast du davon, Mensch? Was hast du davon? Bei mir hast du Arbeit, du kannst hier leben wie Gott in Frankreich. Im Falle eines Falles helfe ich dir aus der Klemme… Ich widerspreche! So wahr Gott im Himmel lebt, ich widerspreche!«
    »Schwatz nicht so viel, du Mistkerl«, unterbrach ihn Suchowiak, »du weißt wohl selbst nicht, was du schwatzt. Wem willst du widersprechen? Den  Kacapy  vom Sicherheitsdienst? Da haben schon andere gesungen als du. Aber wer sagt denn, daß ich dort hingehe? Sage ich das?«
      »Setz dich!« sagte der Schöne Lolo. »Setz dich, du lausige Hure…«
      »Wenn Sie mich auffordern, Herr Leiter, warum dann nicht«, antwortete Wiktor Suchowiak und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch.
      Sie redeten lange. Sogar die Sekretärin fühlte sich beunruhigt. Zweimal stellte sie ein Gespräch durch, und zweimal rief er barsch: »Nicht verbinden! Ich bin beschäftigt!«
      Schließlich trennten sie sich. Das kostete den Schönen Lolo eine hübsche Summe. Und

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