Die schoene Frau Seidenman
verraten. Dann wurden sie handelseinig. Lolo nahm das Geld, den Schmuck, auch Kleidung verachtete er nicht. Er wußte, der Jidde würde sofort nach seinem Weggang das Versteck wechseln, vielleicht sogar in irgendeinen Keller ziehen oder den Versuch machen, aus der Stadt zu fliehen. Lolo rupfte bei Gelegenheit auch die arischen Wirtsleute des Jidden, die, von Panik ergriffen, seinen Forderungen nachgaben. Aber er tat das nicht oft. Bei den arischen Landsleuten war das Geschäft nie sicher. So ein polnischer Schabbesgoj , der Juden versteckte und ernährte, konnte das um des Verdienstes willen tun, aber auch aus erhabenen und allgemein menschlichen Gründen, und so etwas erfüllte den Schönen Lolo immer mit Unruhe, weil nur der Teufel wissen konnte, ob ein aus so edlem Stoff geformter Pole nicht irgendwo im Untergrund von Lolos Besuch berichtete oder gar selbst bis an die Ohren im Untergrund steckte und dem Schönen Lolo Schwierigkeiten bereiten könnte. Der eine oder andere Szmalcownik starb ja manchmal auf den Warschauer Straßen, von einer Kugel aus dem Untergrund getroffen; das sollte man nicht riskieren. Aus diesen Gründen zeigte sich Lolo auch selten in der Nähe des Ghettos, denn dort gab es einmal viel Konkurrenz, und zum anderen konnte ein unberufenes Auge auf seiner schönen Gosche verweilen.
An diesem Abend ging er gerade spazieren und dachte gar nicht ans Jagen. Der Zufall führte ihn in die Nähe des KrasińskiPlatzes, der Zufall ließ ihn Wiktor Suchowiak begegnen, der ziemlich schnell den Bürgersteig der Miodowa-Straße entlangging und ein jüdisches Kind an der Hand führte. Wiktor Suchowiak war ein brünetter, dunkelhaariger Mensch von der Anmut eines versoffenen Zigeuners. Kaum erblickte der Schöne Lolo das sonderbare Paar, da spürte er den Schauer des Jägers. Er näherte sich Suchowiak und sagte: »Wohin eilst du so, Mosiek?«
»Werter Herr, das ist ein Irrtum«, entgegnete Wiktor Suchowiak.
»Du zerrst diese Salcia hinter dir her, daß sie keine Luft mehr kriegt«, fuhr der Schöne Lolo in scherzhaftem Ton fort. »Halt an, wir gehen in diese Toreinfahrt.«
»Werter Herr, was wollen Sie überhaupt?« fragte Wiktor Suchowiak und blickte sich ängstlich in der Runde um. Die Straße war leer. Im Hintergrund nur hörte man das Quietschen der Straßenbahn. Ein kaum erkennbarer violetter Streifen bewegte sich im Dunkel. Der Schöne Lolo schubste Wiktor auf das nächste Haustor zu.
»Wir reden miteinander«, sagte er im Ernst.
»Werter Herr, ich bin kein Jude«, verwahrte sich Wiktor Suchowiak.
»Das wird man sehen«, entgegnete Lolo, »zeig deine Pfeife.«
»Das Kind…«, wandte Wiktor Suchowiak ein.
»Mach mich nicht mit dem Kind verrückt!« rief Lolo. »Zeig deine Pfeife!«
»Joasia«, sagte Wiktor Suchowiak heiter zu dem kleinen Mädchen, »dreh dich zur Wand und steh still!«
Schweigend gehorchte Joasia dem Onkel. Wiktor Suchowiak knöpfte seinen Mantel auf, beugte den Kopf leicht vor und schlug dann Lolo mit dem Ellbogen heftig gegen den Kiefer. Lolo wankte, schrie auf und lehnte sich an die Wand. Wiktor Suchowiak führte einen kurzen Stoß gegen Lolos Magen, und als dieser sich etwas zusammenkrümmte, rammte er ihm das Knie in den Schritt. Lolo stöhnte und erhielt wieder einen Schlag gegen den Kiefer, dann einen zweiten auf die Nasenwurzel. Ein Blutstrom ergoß sich. Der Schöne Lolo glitt zu Boden. Wiktor Suchowiak beugte sich vor, bemerkte aber Joasias Blick und rief: »Dreh dich um, ich bitte dich.«
Das Kind drehte sich um. Wiktor Suchowiak sagte leise zu Lolo: »Du Miststück, das nächste Mal ziehe ich dir die Haut ab! Jetzt gib her deinen Waisengroschen!«
Der Schöne Lolo blutete heftig, er empfand einen schrecklichen Schmerz, Schwindel im Kopf und Bitterkeit und Entsetzen im Herzen.
»Ich habe nichts«, murmelte er. Ein Fußtritt beförderte ihn mit dem Gesicht auf den Boden. Unter seiner Backe spürte er den Zement und am gesamten Körper die flinken Hände seines Peinigers. Wiktor Suchowiak ertastete Brieftasche und Portemonnaie. Seine Bewegungen blieben ganz ruhig. Sorgfältig zählte er die Geldscheine.
»Wen hast du heute bearbeitet?« fragte er. »Soviel Geld verdiene ich in einem Monat.«
Er sagte nicht die Wahrheit, denn er verdiente mehr, sah aber keinen Grund, den blutenden Räuber in seine Geschäfte einzuführen. Das Portemonnaie warf er neben Lolos Kopf.
»Da hast du was für die Straßenbahn«,
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