Die schoene Helena
Freundschaft zu gewinnen. Der Hausherr bot ihnen Platz an und versorgte sie mit Getränken. In einem erstaunlichen Anfall von weltgewandter Gastfreundschaft brachte er ein Gespräch in Gang. Allzu lange dauerte es nicht, bis der Pastor und seine Frau auftauten und Klatschgeschichten über sämtliche Nachbarn erzählten. Nachdem Rathford die Pflichten des Gastgebers erfüllt hatte, lehnte er sich zurück und genoss schweigend seinen Whisky.
Auch Adam hatte sich gesetzt, ein Glas in der Hand. Belustigt lauschte er der Konversation. Sobald Mr Gerret oder seine Frau einen Satz beendet hatten, nahm der andere den Faden nahtlos auf, schloss das Thema ab und schnitt in fließendem Übergang das nächste an.
„Also, die gute Beth liebt ihren Wein viel zu sehr“, meinte Mrs Gerret.
„Und sie neigt zum Rülpsen“, ergänzte Mr Gerret.
„Ziemlich laut. Aber ...“
„Trotzdem ist sie so ein lieber Mensch.“ Besänftigend tätschelte Mr Gerret die Hand seiner Gattin.
„Und ihr Mann ist ein Heiliger.“
„Oh ja. Robbie hat für Seine Gnaden gearbeitet, oben im großen Schloss. Und er verehrt Ihre Gnaden.“
„Die neue Duchess, nicht die alte.“
„Großer Gott, natürlich nicht die alte! Die Mutter des Dukes hat er verabscheut.“ Angewidert schnitt der Pastor eine Grimasse. „Was für eine unmögliche Frau!“
Einmütig erschauerten die beiden.
„Aber die jetzige Duchess ist ein Engel. Robbie hat sie angebetet. Schon damals, als sie die Gouvernante dieser zwei bedauernswerten Mädchen war und dauernd mit Seiner Gnaden stritt, stand Robbie stets auf ihrer Seite.“
Während Adam versuchte, all die Personen auseinanderzuhalten, begann sein Kopf zu schmerzen. Für diese Leute interessierte er sich nicht. Aber als er herausfand, dass Ihre hoch geschätzte Gnaden die charmante Chloe war, die er im Dorf kennengelernt hatte, horchte er auf.
„Erzählen Sie uns, doch was über sich selbst, Mr Mannion“, bat Mrs Gerret unvermittelt.
Mit der Neugier des Ehepaars hatte er gerechnet. Deshalb war er vorbereitet und unterhielt die beiden mit harmlosen Geschichten aus seiner Vergangenheit, bis ihn das Geräusch raschelnder Seide unterbrach, das von der Tür herüberdrang.
Alle Blicke wandten sich in diese Richtung - und erstarrten. Auch Adams Blick. Und alle schnappten nach Luft. Auch Adam. Helena trat ein. Zumindest glaubte er, es müsste Helena sein -oder ein Geist. War das Porträt, das in jenem unbenutzten kleinen Salon hing, zum Leben erwacht?
10. Kapitel
Wie sie sich verändert hatte ... Strahlend schön, voller Selbstvertrauen, beherrschte sie mit ihrer bezaubernden Persönlichkeit sofort den ganzen Raum, und Adam verlor den Faden seines Lügenmärchens.
„Guten Abend, Reverend ... Mrs Gerret.“ Anmutig durchquerte sie das Zimmer und schüttelte die Hände der Gäste, die sich ebenso wie Lord Rathford und Adam erhoben hatten. Dann stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste die Wange ihres Vaters.
Adam glaubte Tränen in den Augen des alten Mannes zu sehen, der seiner Tochter nachschaute. Vermutlich dachte auch er an das Porträt der einstigen Helena, die er so lange vermisst hatte.
Nun ging sie zu Adam und erweckte den charmanten Eindruck, sie hätte das Wiedersehen mit ihrem Verlobten inbrünstig herbeigesehnt. Vor lauter Verwirrung hielt er den Atem an.
Natürlich wusste sie genau, welche Wirkung sie auf die Anwesenden ausübte. Das spürte er. Sie schenkte ihm ein schmachtendes Lächeln, berührte seinen Arm und legte den Kopf schief, so kokett, das er krampfhaft schluckte. „Gerade habe ich den Gerrets geschildert, wie wir uns kennenlernten“, erklärte er. Glücklicherweise klang seine Stimme nicht so albern, wie er sich fühlte.
„Oh ...“, hauchte sie.
„Auf der Jagd. Während Sie durch den Wald galoppierten, trafen wir uns zufällig und sprachen miteinander. Daran erinnere ich mich so gut, als wäre es gestern gewesen.“ Zu den Gerrets gewandt lachte er leise und streichelte Helenas Hand. „Das soll niemand erfahren, denn sie trug Breeches und ritt im Herrensitz. Jedes Mal, wenn ich’s erwähne, wird sie verlegen.“
„Mr Mannion!“, rief Helena, hell empört über seine ungeheuerliche Behauptung.
Doch er zuckte nur mit den Schultern. „Sehen Sie, wie sie sich aufführt, wenn ich’s erzähle? Zu allem Überfluss fiel sie auch
noch aus dem Sattel, und ich musste sie aus dem Bach fischen. Kein besonders guter Anfang ...“
„Mr Mannion“, versuchte sie ihn erneut zu
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