Die schoene Helena
ermahnen, diesmal in etwas sanfterem Ton. „Ich finde, Sie übertreiben ein bisschen ...“
„Tatsächlich? Tut mir leid. Dann darf ich auch nichts von dem wilden Eber erzählen, der Sie aus dem Gebüsch scheuchte? Darin hatten Sie sich versteckt, während ich Ihre Kleidung zum Trocknen aufhängte ...“
„Adam!“
„Mannion!“, schrie Lord Rathford. Sein Blick hätte sogar einen Dämon eingeschüchtert.
Unschuldig zog Adam die Brauen hoch und nippte an seinem Sherry. „Oh Gott, ich hatte schon immer ein loses Mundwerk. Wahrscheinlich hätte ich das alles nicht ausplaudern dürfen“, stöhnte er und schaute die Gerrets flehend an. „Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?“
Mrs Gerret, der es ausnahmsweise die Sprache verschlagen hatte, nickte hektisch.
„Jedenfalls verliebte ich mich sofort in Lady Helena und folgte ihr nach Hause.“ Mit glitzernden Augen betrachtete er seine erboste Braut. „Zunächst wollte sie mich nicht empfangen. Aber Lord Rathford war so freundlich, mich einzuladen. Und so lernte ich seine reizende Tochter allmählich besser kennen. Bald wussten wir, dass wir für immer zusammengehören.“ Diesen Worten folgte ein langes Schweigen, das ein vernehmlicher Seufzer brach. Adam wandte sich zu Mrs Gerret, die ihre Hände vor dem üppigen Busen gefaltet hatte.
„Nun ...“, begann ihr Mann und räusperte sich. „Das alles hört sich wie ein erstaunliches Abenteuer an.“
„Oh, die Liebe ist immer ein Abenteuer, Reverend.“ Galant zog Adam die behandschuhten Finger seiner Braut an die Lippen.
Die Augen voller Mordlust, entriss sie ihm ihre Hand.
In diesem Moment erschien ein Lakai und meldete, das Dinner sei angerichtet.
Als sie zum Speisezimmer gingen, eilte Mrs Gerret an Adams Seite und gurrte: „Erzählen Sie mir doch noch mehr von sich, Mr Mannion.“
„Mit Vergnügen, Madam.“
Bereitwillig setzte er seine Lügengeschichte fort, die immer groteskere Ausmaße annahm. Dabei amüsierte er sich köstlich. Die vernichtenden Blicke, die Helena ihm zuwarf, ignorierte er geflissentlich und genoss das exzellente Mahl. Zu Ehren der Gäste hatte sich die Köchin selbst übertroffen.
Nach dem Dinner zogen sich die Damen zurück. Bevor Helena mit Mrs Gerret den Speiseraum verließ, starrte sie Adam wütend an. Mit einem schelmischen Lächeln hob er sein Weinglas und prostete ihr zu. In ihren blauen Augen schienen Eissplitter zu schimmern. Unsanft schloss sie die Tür hinter sich.
Von überraschenden, unerwarteten Schuldgefühlen erfasst, trank er einen Schluck Wein. Normalerweise benahm er sich nicht wie ein Rüpel. Aber an diesem Abend hatte ihn irgendetwas dazu gedrängt. Vielleicht, weil Helena ihm den Atem geraubt hatte, als sie ins Wohnzimmer gekommen war ... Ihre Schönheit erschien ihm wie ein beabsichtigter Angriff auf seine Sinne - nein, eher wie eine Herausforderung, ein Fehdehandschuh, den sie ihm lässig hingeworfen hatte.
Schon nach wenigen Minuten nickte Lord Rathford ein. Am liebsten hätte Adam den alten Trunkenbold auf den Kopf geschlagen. Mr Gerret war ein Langweiler. Und Adam hatte es satt, weitere haarsträubende Lügengeschichten zu erfinden, nur um ein Gähnen zu bekämpfen.
Der spindeldürre Pastor musterte den Gastgeber verstohlen und beugte sich vor. „Also, ich muss schon sagen ... Lady Helena hat sich erstaunlich verändert. Offensichtlich tut ihr die Liebe gut. Jetzt ist sie wieder fast so wie früher.“
Natürlich, dachte Adam, warum wird mir erst jetzt bewusst, dass er sie ihr Leben lang gekannt hat? Vielleicht würde Gerret ihm verraten, was mit Helena geschehen war.
Die Ellbogen auf den Armstützen, schaute er den Geistlichen über seine ineinander geschlungenen Finger hinweg an. „Es war so schrecklich ...“
Mit diesem Trick hatte er Erfolg. Gerret erbleichte und bestätigte hastig: „Allerdings. Arme Lady Helena ... Das Gerede trieb sie in diese furchtbare Einsamkeit. Davon haben Sie die junge Dame offenbar geheilt. In so kurzer Zeit!“
„Das fiel mir nicht leicht“, improvisierte Adam. „Immerhin musste sie schmerzliche Erinnerungen überwinden. Und das Gemunkel stört sie immer noch. Mittlerweile weiß sie nicht einmal mehr, ob die Leute die Wahrheit sagen, oder ob die Geschichte völlig außer Kontrolle geraten ist.“
„Ja, sie ist wirklich zu bedauern ... Dabei wurde der Fall damals lückenlos aufgeklärt, und es gibt nicht einmal den Schatten eines Zweifels, der Lady Helena belasten würde. Aber die Leute machen
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