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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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weckte ihn.

16. Kapitel
    Als er die Klänge vernahm, setzte er sich auf und strich gähnend über sein Gesicht. Voller Enthusiasmus wurde eine lebhafte, fast wilde Melodie gespielt. Adam stieg aus dem Bett und krümmte die Zehen auf dem kalten Boden. In der kühlen Nachtluft verschränkte er fröstelnd die Arme vor der Brust. Ohne nach seinem Hemd zu greifen, entzündete er die Lampe und verließ sein Schlafzimmer.
    So wie beim ersten Mal spielte Helena exzellent Klavier.
    Nun wusste er, wo das Musikzimmer lag. Er eilte die Treppe hinab und näherte sich der Tür. Zu seiner Verblüffung ertönte die Musik etwas leiser. Hatte Helena das Instrument nach jener Nacht woanders aufstellen lassen? Am nächsten Morgen hatte er ihre „ausgezeichnete Darbietung“ erwähnt. Fürchtete sie, noch einmal ertappt zu werden? Verdammt...
    Nur mit einer locker sitzenden Unterhose bekleidet, stand er in der dunklen Halle und lauschte. Schließlich kehrte er ins obere Stockwerk zurück und bog in den Korridor, an dem sich Helenas Suite befand. Die Musik schwoll an. Vorsichtig öffnete er die Tür ihres Schlafzimmers. Da war sie nicht. Als er zum Ende des Flurs ging, entdeckte er eine Wendeltreppe, die anscheinend in einen Turm hinaufführte. Tatsächlich ... Von da oben drang die fröhliche Melodie herab.
    Offenbar glaubte Helena, das Klavier wäre weit genug entfernt, sodass niemand ihr Spiel hören könnte. Auf leisen Sohlen schlich Adam nach oben. Das schmale Treppenhaus öffnete sich zu einem großen Raum. Im Licht seiner Öllampe schaute er sich um. Ein Globus, ein Bücherregal, Schreibtische, ein großer und ein paar kleine. Auf einer staubigen Schiefertafel zeigten sich verwischte Kreidespuren, an einer Wand hing eine Weltkarte mit vergilbten Ecken. Vermutlich ein Schulzimmer.
    Der gelbe Strahl der Lampe streifte mehrere Gesichter, und Adam wich erschrocken zurück. Dann atmete er auf. Nur Puppen. Aneinandergereiht saßen sie in einem Regal, ein bösartiges
    Funkeln in den Glasaugen, die den Lichtschein widerspiegelten. Am anderen Ende des Raums entdeckte er eine Tür.
    Ohne zu ahnen, dass Adam immer näher kam, wechselte Helena zu einer melancholischen Melodie über, und er hörte sie singen, leise und klagend.
    Er öffnete die Tür. In einem schneeweißen Nachthemd saß seine Frau am Pianoforte, den Kopf gesenkt, die Augen geschlossen. Wie aus eigenem Antrieb tanzten ihre Finger über die Tasten. Ihre Stimme klang so süß und sehnsüchtig.
    Wie festgewurzelt stand er da und beobachtete Helena. Seine Kehle verengte sich.
    Nach einer Weile stieß er die Tür etwas weiter auf. Als eine Angel quietschte, hielt Helena abrupt inne. Bestürzt drehte sie sich um.
    „Spiel doch weiter“, bat Adam und betrat den Raum.
    Ruckartig erhob sie sich von ihrer Bank, die mit einem lauten scharrenden Geräusch über den Boden glitt. Mit der Hüfte prallte sie dabei gegen das Klavier. Beinahe kippte der Kandelaber um, der auf dem Instrument stand.
    „Stimmt etwas nicht?“ Adam kam näher. Oh Gott, wie verängstigt sie ihn anschaute ...
    „Was suchst du hier? Wie kannst du es wagen ...“ Ihre Lippen bebten. „Bitte, geh!“
    „Dein Klavierspiel hat mich geweckt.“ In diesem Augenblick wirkte sie so zerbrechlich, dass er besorgt eine Hand ausstreckte. „Spielst du mir etwas vor?“
    Helena konnte sich nicht rühren. Unfähig, zu sprechen oder zu denken, lehnte sie am Pianoforte. Er war nackt - bis auf eine Unterhose, die seine Hüften locker umhüllte. Besaß er denn gar kein Schamgefühl?
    Im Licht der drei Kerzen, die den Raum erhellten, sah sie seine breite, muskulöse Brust, die kraftvollen Schultern, und es gelang ihr nicht, ihren Blick von ihm loszureißen. Als er auf die Bank zeigte, beobachtete sie, wie sich die Sehnen in seinem Arm bewegten.
    „Bitte ... die Musik war wundervoll.“ Seine Stimme klang
    so weich. Wie Samt, der warme Haut streifte. „Spiel und sing für mich, Helena.“
    Schön. Er war schön, mit einer bezwingenden maskulinen Ausstrahlung, die ihr den Atem nahm.
    „Nein ... ich kann für niemanden mehr spielen und singen“, stammelte sie.
    „Ich bin dein Mann. Nicht irgendjemand.“
    Ihr Mann. „Das ... kann ich nicht.“
    Er trat einen Schritt näher, und sie musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um nicht zusammenzuzucken. Langsam wanderte sein Blick über ihr Nachthemd, und ihr wurde bewusst, welch geringen Schutz ihr der dünne Baumwollstoff bot.
    Obwohl er sie nicht berührte, begannen ihre

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