Die schoene Helena
auf zu verschwinden.“
„Wie bitter musst du die Ärmste enttäuscht haben! Wo sie doch ihre zarten Gefühle für dich zum Ausdruck brachte und so wundervolle Pläne für euer gemeinsames Luxusleben geschmiedet hatte!“
„Glaubst du wirklich, ich würde mich auf so etwas einlassen?“
„Warum nicht?“, fauchte sie spöttisch. „Weil dein edler Charakter in allen moralischen Belangen für sich selbst spricht?“ Adam blinzelte und sah ihre Lippen zittern. Offenbar er-kannte sie, dass sie zu weit gegangen war. Er suchte nach Worten. Aber er konnte ohnehin nichts sagen, weil seine Kehle wie zugeschnürt war. Nun wusste er endgültig, was sie von ihm hielt. Schweigend nahm er sein Reitjackett von einer Sessellehne, eilte aus dem Zimmer, aus dem Haus, zum Stall.
Eine Zeit lang kämpfte Helena mit ihren beklemmenden Gefühlen, dann läutete sie nach dem Lakaien und bestellte eine Schüssel Porridge. Wenn sie auch beschlossen hatte, Adams Spott zu ignorieren - mit der Bemerkung über die „schöne Märtyrerin“ und ihr ungesundes Aussehen hatte er ihren Stolz verletzt. Wieder einmal.
Irgendwie musste er Mittel und Wege finden, um mit Helena zu schlafen. Zu den Bedingungen, die Lord Rathford ihm bei jener Vereinbarung gestellt hatte, gehörte der Vollzug der Ehe. Vorher durfte Adam nicht abreisen. Nächste Woche würden die ersten zwei Monate seines „pflichtgemäßen“ Aufenthalts im Rathford Manor zu Ende gehen, und er konnte nach London zurückkehren.
Allein schon der Gedanke an normale Menschen ohne dunkle Geheimnisse, an helle Räume ohne Spinnweben besserte seine Laune. Ja, er wollte aus diesem Haus flüchten, vor der mysteriösen Helena Rathford, die seinen Verstand bedrohte. Helena Mannion. Seine Frau. Sobald er mit ihr das Bett geteilt hatte, würde er das Weite suchen. Aber wie sollte er das Problem lösen?
Kain rannte auf die Koppel, wo Adam eine schöne Stute mit einem weißen Fleck auf der Stirn alle Gangarten machen ließ.
Da Kepper nirgends zu finden war, fühlte sich Adam einsam -bis Kain auftauchte. Seufzend stieg er ab. „Daran bin ich nicht gewöhnt“, erklärte er dem Hund und kraulte ihn hinter den Ohren. Das gefiel dem sanftmütigen Tier so gut, dass es sich auf den Rücken legte, um auch seinen Bauch streicheln zu lassen. „Verstehst du, was ich meine? Ich brauche Leute, die mich mögen und sich nett mit mir unterhalten.“
Erstaunlicherweise bellte der Hund, und Adam lachte.
„Das zählt nicht.“
Da kläffte Kain erneut und sprang auf. Anscheinend wollte er ihn auf etwas hinweisen. Adam drehte sich um und entdeckte einen elegant gekleideten Gentleman, der ein erstklassiges Pferd auf die Koppel führte. „Guten Tag“, grüßte der große, schlanke Fremde lächelnd. Straff nach hinten gekämmt, waren seine mausbraunen Haare im Nacken zusammengebunden.
„Guten Tag“, erwiderte Adam nicht besonders freundlich, eher herausfordernd.
„Ist Helena da? Oder Lord Rathford?“
„Im Haus.“
Der Mann warf Adam die Zügel seines Pferdes und eine Kupfermünze zu. „Seien Sie so nett und striegeln Sie ihn, guter Mann. Dann geben Sie ihm ein bisschen Hafer und Wasser.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, schlenderte er in die Richtung des Hauses.
„He!“, rief Adam ihm nach.
Sobald sich der Gentleman umdrehte, warf Adam das Geld zurück. Der Unbekannte bemühte sich nicht, die Münze aufzufangen, und so traf sie seinen Arm. „He!“, stieß er hervor und rieb seinen Ärmel, als würde er heftige Schmerzen verspüren. „Wie können Sie es wagen! Falls Sie einen höheren Lohn einheimsen wollen, werden Sie ihn nicht kriegen, nachdem Sie sich so schändlich benommen haben.“
„Und wenn Ihr Pferd gestriegelt werden soll, erledigen Sie’s selber. Kain und ich haben keine Zeit dafür.“
„Wie heißen Sie?“, fauchte der Mann.
„Adam Mannion. Und Sie?“
„Sir, ich bin Howard Balfourt, Baronet. Soeben haben Sie ein Parlamentsmitglied beleidigt...“ Plötzlich sank das arrogant erhobene Kinn des Gentleman herab, und er wirkte ein bisschen zerknirscht. „Moment mal, sagten Sie ... Mannion? Sind Sie etwa ... ? Verdammt, Mann, Sie haben sie geheiratet, nicht wahr?“
„Und wer sind Sie?“
„Helenas Vetter.“ Sichtlich verlegen, schien der Baronet zu überlegen, was jetzt zu tun war. Sollte er sich entschuldigen oder weiterhin den Beleidigten spielen? Adam hatte Mitleid und beschloss, ihn zu erlösen. Außerdem wollte er an diesem Tag an keiner zweiten Front
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