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Die schoene Helena

Titel: Die schoene Helena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacqueline Navin
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hinüber und hoffte, die Irin würde nichts bemerken. Aber die alte Frau hatte den Kopf in den Nacken gelegt und die Augen geschlossen. Völlig reglos stand sie da. Nur zu gut kannte Helena diese Pose. Alle ihre Gedanken gerieten durcheinander.
    Als Kimberly die Lider hob, schaute sie eindringlich in ihr Gesicht. „Ihre Mutter ist sehr zufrieden.“
    Krachend fielen die Schuhe zu Boden, die Helena ergriffen hatte.
    „Sie verwehrt mir den Zutritt in ihr Schlafzimmer“, erklärte Adam.
    „Mein Junge, das ist dein Problem“, entgegnete Lord Rathford. „Sicher erwartest du nicht, ich würde unser Abkommen ändern.“
    „Ich erwarte ein gewisses Verständnis von dir, George. Bald muss ich nach London zurückkehren. Und ohne Gewalt anzuwenden, kann ich deine Tochter nicht dazu bewegen, ihre ehelichen Pflichten zu erfüllen.“
    Erstaunt zog Rathford die buschigen Brauen hoch. „Dann solltest du wirksame Mittel und Wege finden. Bevor die Ehe vollzogen ist, wirst du nicht abreisen. Und wenn du ihr auch nur ein Haar krümmst, ziehe ich dir bei lebendigem Leibe die Haut ab.“ Diese Drohung war ernst gemeint. Daran ließ seine finstere Miene keinen Zweifel, und Adam wandte sich seufzend ab.
    Howard steckte den Kopf zur Bibliothekstür herein. „Gleich bin ich so weit, Onkel.“
    „Alles bereit?“
    „Sieht so aus. Mein Pferd wird gerade gesattelt. Gibst du mir die Geschäftsbücher? Gestern bat ich dich, sie durchzusehen ...“
    „Verdammt, die habe ich mit in mein Zimmer genommen. Warte, ich hole sie.“
    „Schick doch einen Lakaien hinauf.“
    „Diesen verflixten Dienstboten darf man nicht trauen. Die wetzen ihre Zungen noch eifriger als die schlimmsten Klatschtanten. In ein paar Minuten bin ich wieder da.“
    Sobald Lord Rathford außer Hörweite war, verdrehte Howard die Augen. „Was werden mir seine Ratschläge schon nützen! Früher war der Mann brillant. Mit seinen klugen Investitionen in Indien hat er ein Vermögen gemacht. Gewürze bringen mehr ein als Gold - das sah er rechtzeitig voraus. Aber mittlerweile hat der Alkohol sein Gehirn benebelt, und er verlässt sich in allen Dingen auf mich.“ Selbstgefällig schlenderte er in der Bibliothek umher und warf Adam einen triumphierenden Blick zu. „Ja, in der Tat. Während er sich zu Tode trinkt, trage ich die ganze Verantwortung.“
    „Wieso denn?“, fragte Adam.
    „Glauben Sie etwa, Helena würde sich um irgendetwas kümmern? Nicht, dass sie zu dumm wäre, und ich gehöre keineswegs zu den Männern, die Frauen für unfähig halten. Meine Mutter - Gott hab sie selig - führte meinem Vater die Bücher. Und in den zehn Jahren nach seinem Tod verdoppelte sie das Familienvermögen. Aber Helena? Mein guter Mann, dieses Mädchen ist eine Katastrophe. Wenn Tante Portia auch ein Biest war - sie sorgte stets für Ordnung und ließ alle Hausbewohner nach ihrer Pfeife tanzen. Damals erstrahlte Rathford Manor in hellem Glanz. Und jetzt? Eine wahre Schande!“
    Adam verstand nicht, warum ihn die Kritik an Helena ärgerte, denn er musste dem Baronet recht geben. Trotzdem fühlte er sich bemüßigt, seine Gemahlin zu verteidigen. „Helena führt ein sehr zurückgezogenes Leben. Und warum maßen Sie sich an, Ihre Cousine zu verurteilen? Immerhin hat sie einiges durchgemacht.“
    „Klar, sie ist genauso traumatisiert wie ich, und bei ihr kommen noch qualvolle Schuldgefühle dazu.“
    „Wovon reden Sie?“
    „Von jenem Mord ...“ Als Adam verständnislos die Stirn runzelte, wiederholte Howard: „Von jenem Mord!“ Unwillkürlich ballte Adam die Hände. „Ein Mord?“
    „Das fasse ich einfach nicht! Hat man’s Ihnen verheimlicht?
    Wie zum Teufel haben sie das geschafft? Großer Gott, Mr Mannion! “ Wichtigtuerisch warf sich Howard in die Brust. „Helena ist eine Mörderin!“
    „Nein.“ Natürlich log der Schurke. Solche Typen kannte Adam zur Genüge. Überall versprühten sie Gift und Galle und weideten sich am Elend anderer Menschen. Er hatte Howard für einen harmlosen Dandy gehalten. Jetzt sah er seinen Irrtum ein. Diesen Popanz musste man ernst nehmen.
    „Oh, doch! Fragen Sie Ihren Schwiegervater. Oder Helena selber. Sie würde Ihnen keine Lüge auftischen - obwohl die beiden Sie auf üble Weise hintergangen haben. Gewissermaßen begehen sie mit ihrem Schweigen eine Unterlassungssünde.
    Howard wirkte zu selbstsicher, zu kaltblütig, um eine Schauergeschichte zu erfinden. Schmerzhaft krampfte sich Adams Herz zusammen. „Wen hat sie ...

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