Die Schoene im Schnee
im Fluss, als ich elf war.“
„Derselbe Fluss, in den ich gestürzt bin?“
Brant nickte. „Jetzt ist er nicht besonders tief, deshalb ist es vielleicht schwer zu glauben. Während der Schneeschmelze im späten Frühling und frühen Sommer ist es etwas ganz anderes. Erinnern Sie sich, wie Ihr SUV anderthalb Meter in die Tiefe stürzte? Während der Schmelze ist das alles ein reißender Fluss. Obwohl wir als Kinder im Frühling nicht in der Nähe spielen durften, haben wir Steine ins Wasser geworfen. Curtis wagte sich zu weit nach vorne, und das Ufer brach unter ihm weg. Ich rannte flussabwärts nach und versuchte, ihn rauszuziehen. Aber er rauschte an mir vorbei, und ich bekam ihn nicht mehr zu fassen.“
„Sie hätten ebenfalls umkommen können.“
Das wäre auch besser gewesen. Zumindest hatte ihm das seine Mutter im angetrunkenen Zustand an den Kopf geworfen. „Besser du als mein süßes Baby“, hatte sie in diesem emotionslosen Tonfall gesagt, der umso niederschmetternder war.
Gern hätte Brant geglaubt, dass sie es nicht so meinte. Curtis war immer der lustige, kluge und liebenswertere der beiden Brüder gewesen. Brant dagegen war groß, unbeholfen und viel zu ernst für ein Kind.
Nach dem Tod von Curtis artete das zuvor schon angespannte Familienleben ins reinste Elend aus. Die Ranch versank im Chaos, seine Eltern stritten die ganze Zeit, und beide fingen mit dem Trinken an.
Die Kämpfe und das Geschrei waren eine Sache. Doch dann ließ seine Mutter sie auch noch sitzen, und sein Vater richtete all seine Trauer und seine Wut gegen Brant.
Dieses Leben wäre wohl für immer so weitergegangen. Irgendwann wäre er dann groß genug, um zurückzuschlagen, oder sein Vater würde ihn vorher bringen. Aber vorher schritten Guff und Jo Winder ein.
Brant trank einen Schluck und dachte zurück an die Ereignisse, die sein Leben verändert hatten.
Er hatte zuvor schon die Aufmerksamkeit der Winders bemerkt, wenn er mit seinem Vater in der Stadt gewesen war. Einmal hatte Guff sogar etwas zu J. D. gesagt, als sein Vater ihm im Laden für Farmbedarf wegen irgendetwas aufs Dach gestiegen war. Doch diese Einmischung hatte Brant zu Hause nur noch stärkere Prügel beschert.
Eines Tages war Guff schließlich auf die Western Sky Ranch gekommen, um einige Milchkälber abzuholen. Bei seiner Ankunft war J. D. gerade einmal wieder übel betrunken. Brant hatte versucht, seine blauen Flecken zu verbergen, aber als er dabei half, eines der Kälber auf den Viehtransporter der Winders zu wuchten, rutschte sein T-Shirt nach oben.
Guff warf nur einen Blick auf die Schrammen, die kreuz und quer über seinen Rücken verliefen. Brant würde nie die plötzlich aufflammende Wut in seinem Blick vergessen. All die Jahre hatte er gelernt, vor derartig heftigem Zorn zurückzuweichen. Doch statt auf ihn loszugehen, schnappte sich Guff eine Mistgabel und drückte J. D. gegen die Wand.
„Du Hurensohn!“, sagte er mit tiefer, furchteinflößender Stimme. „Einen deiner Söhne hast du durch einen schrecklichen Unfall verloren. Wie willst du weiterleben, wenn du den anderen durch deine eigene Hand verlierst?“
J. D. tobte und schrie, doch Guff hielt die Mistgabel weiter auf ihn gerichtet, während er sich zu Brant umdrehte. „Du weißt doch, dass meine Frau und ich einen Verwandten bei uns aufgenommen haben, einen Jungen in deinem Alter. Ich glaube, er geht sogar mit dir zur Schule. Quinn Southerland. Wir haben auf der Winder Ranch jede Menge Platz. Und ich schwöre auf die Seele deines Bruders, dass dort nie jemand die Hand gegen dich erheben wird. Würdest du gern mitkommen und für eine Weile bei uns bleiben?“
Brant war genauso verwirrt und schockiert wie sein Vater. Einerseits wollte er die Western Sky auf jeden Fall verlassen und so weit weglaufen, wie er nur konnte. Andererseits kannte er seine Pflichten.
„Ich bleibe besser bei meinem Dad, Sir. Er hat doch sonst niemanden.“
Guff sah ihn mit Tränen in den Augen lange an. Dann ließ er die Mistgabel sinken.
Während sein Vater an der Wand des Stalls hinabsank und verwirrt und schockiert sitzen blieb, nahm Guff den Jungen in die Arme. In diesem Moment wurde Brant klar, dass es zwei Jahre her war, seit ihn jemand berührte hatte, ohne ihn dabei zu bedrohen.
„Du bist ein guter Sohn, mein Junge“, hatte Guff gesagt. „Ich weiß, dass du deinen Dad liebst, aber im Moment musst du ihn und dich beschützen. Wenn ich verspreche, dass dein Dad die Hilfe erhält, die er
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