Die Schoene im Schnee
Fuß der Treppe aus nicht zu sehen war.
Was sollte sie nur tun? Einfach nicht rühren und hoffen, dass die Frau wieder verschwand?
Oder sollte sie das Risiko eingehen und versuchen, sich so herauszuwinden, dass die Besucherin nicht als Erstes die Klatschpresse informierte?
Einen Moment später nahm Simone ihr die Entscheidung ab. Bevor Mimi sie aufhalten konnte, rannte die kleine Hundedame aus dem Schlafzimmer und die Treppe hinunter. Dabei kläffte sie die ganze Zeit.
„Ja, hallo“, hörte Mimi die Frau überrascht sagen. „Zu wem gehörst du denn? Zu Brant? Was geht hier eigentlich vor? Wem gehört denn der Wagen? Und wem der Hund …“
Mimi holte tief Luft. Dann ließ sie die Gardine zu Boden fallen und ging bis zum oberen Treppenabsatz. „Mir!“, rief sie nach unten. „Ich bin gestern Nacht im Sturm von der Straße abgekommen. Leider hatte ich noch keine Gelegenheit, einen Abschleppwagen zu holen. Und dieser kleine Quälgeist ist Simone.“
Die Frau war schlank und blond und trug eine leuchtend rote Skihose sowie einen dazu passenden Parka mit marineblauen Streifen. Sie sah den Hund an, dann wieder Mimi, und ihr Kiefer klappte nach unten. „Sie sind …“
„… furchtbar verdreckt“, sagte Mimi schnell. „Ich weiß. Ich habe gerade eines der Zimmer im ersten Stock geputzt. Ich fürchte, dabei habe ich mich in ein paar Spinnweben verfangen.“
Sie ging die Treppe hinunter und streckte die Hand aus. „Maura Howard“, sagte sie bestimmt.
Jetzt schloss die andere Frau endlich den Mund, doch ihre blauen Augen sahen Mimi weiter misstrauisch an. „Ich bin Easton. Easton Springhill. Meine Ranch liegt ein Stück weit den Canyon hinunter.“ Sie kniff die Augen zusammen und neigte den Kopf. „Es klingt wahrscheinlich verrückt, aber hat Ihnen schon mal jemand gesagt, wie sehr Sie dieser komischen Frau aus der Klatschpresse ähneln? Mimi irgendwas? Die mit den ganzen Männerbekanntschaften.“
Mimi rang sich ein Lächeln ab, was gar nicht so leicht war. „Das höre ich ständig. Es ist ein Fluch, glauben Sie mir. Die ist wirklich unmöglich, oder?“
Easton Springhill kicherte leise. „Ich finde sie toll.“
„Ja, wirklich?“
„Klar. Sie bringt mich immer zum Lachen. Egal, wie mies mein Tag war – ich kann mich immer damit trösten, nicht so dumm wie sie zu sein.“
Mimi musste all ihre Willenskraft aufbringen, um ihr Lächeln nicht zu verlieren. Doch eigentlich konnte sie nicht einmal böse sein. Sie war zwar nicht dumm, aber viele ihrer Entscheidungen waren es sicher gewesen. „Wie sind Sie hierhergekommen? Hat es aufgehört zu schneien?“
„Es scheint etwas nachzulassen. Die Straßen sind immer noch dicht, aber mit meinem Schneemobil ist das kein Problem. Ich dachte mir, ich sehe lieber nach, ob Brant mit dem Notwendigsten versorgt ist. Er vergisst manchmal, die Speisekammer aufzufüllen. Deshalb habe ich ein paar Aufläufe aus meiner Gefriertruhe mitgebracht. Dazu Grundnahrungsmittel. Brot, Milch und so.“
„Das ist sehr umsichtig von Ihnen“, murmelte Mimi und fragte sich, in welcher Beziehung sie wohl zueinander standen. Sie musste jedenfalls ziemlich eng sein, wenn diese Frau sich nicht davor scheute, Brants Haus ohne anzuklopfen zu betreten.
Easton starrte Mimi weiter mit diesem leicht verblüfften Gesichtsausdruck an. „Erstaunlich. Die Ähnlichkeit, meine ich.“
„Sogar mit dem Schmutz im Gesicht vom Schrubben der Wände?“
Indem sie ihre Aufmerksamkeit auf ihre nicht gerade gepflegte Erscheinung lenkte, schien sie Easton zu überzeugen, dass sie unmöglich Mimi Van Hoyt sein konnte.
„Es geht mich ja nichts an“, sagte die andere Frau, „aber waren Sie auf dem Weg zu Brant, als Sie den Unfall hatten? Vermutlich schon. Was sonst hätten Sie auf dem Land der Western Sky zu suchen gehabt?“
„Eigentlich wollte ich Gwen Bianca besuchen. Die Hausverwalterin. Ich bin auf gut Glück losgefahren, ohne vorher anzurufen. Sonst hätte ich erfahren, dass sie gar nicht im Land ist.“
„Stimmt, Gwen hat eine Ausstellung in Mailand. Sie arbeitet schon seit Monaten daran und hat sich sehr darauf gefreut.“
Ihre ehemalige Stiefmutter hatte ihr das wahrscheinlich bei einem ihrer gelegentlichen Telefonate erzählt. Und Mimi hatte es sich nicht gemerkt, weil sie mal wieder viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt war.
Sie seufzte. Schluss mit der Vergangenheit. Jetzt blätterte sie eine neue Seite auf.
„Gwen wird untröstlich sein, Sie verpasst zu haben“, sagte
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