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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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flitzte heraus, fest unsere Taschen umklammernd. »He, da bist du ja«, meinte Chutsky. »Sehen wir uns das Zimmer an.« Er leerte sein Glas, ich meins, und dann folgten wir dem Pagen den Flur hinunter.
    Auf halbem Weg den Flur entlang begann ich mich ein wenig seltsam zu fühlen, als hätten sich meine Beine urplötzlich in Balsaholz verwandelt. »Was war in dem Gatorade?«, erkundigte ich mich bei Chutsky.
    »Größtenteils Rum. Hast du noch nie Mojito getrunken?«
    »Ich glaube nicht«, erwiderte ich.
    Er gab ein kurzes Grunzen von sich, das auch ein Lachen gewesen sein könnte. »Gewöhn dich dran. Du bist in Havanna.«
    Ich folgte ihm den Flur hinunter, der länger und ein wenig heller geworden zu sein schien. Ich fühlte mich mittlerweile äußerst erfrischt. Irgendwie schaffte ich es bis zum Zimmer und durch die Tür. Der Page hievte unsere Koffer auf einen Ständer und öffnete die Vorhänge. Das Licht fiel in einen sehr schönen Raum, geschmackvoll im klassischen Stil möbliert. Es gab zwei Betten mit einem Nachttisch dazwischen und links vom Eingang ein Bad.
    »Sehr schön«, lobte Chutsky, und der Page lächelte und deutete eine Verbeugung an. »Danke«, sagte Chutsky und hielt ihm einen Zehndollarschein entgegen. »Vielen Dank.«
    Der Page nahm das Geld mit einem Lächeln und Nicken entgegen und versprach, dass wir ihn nur rufen mussten, und er würde Himmel und Erde in Bewegung setzen, um die geringste unserer Launen zu befriedigen. Darauf verschwand er durch die Tür, während ich mich mit dem Gesicht voran flach auf das Bett am Fenster fallen ließ. Ich hatte das Bett gewählt, da es am nächsten stand, doch gleichzeitig war es durch das aggressiv durch die Fenster strömende Sonnenlicht zu hell, deshalb schloss ich die Augen. Der Raum fing zwar nicht an, sich zu drehen, und ich wurde auch nicht unvermittelt bewusstlos, doch schien es mir eine sehr gute Idee, eine Weile mit geschlossenen Augen liegen zu bleiben.
    »Zehn Dollar«, schnaubte Chutsky. »So viel verdienen die meisten Menschen hier im Monat. Und zack – er bekommt sie für fünf Minuten Arbeit. Er hat vermutlich einen Doktor in Astrophysik.« Ein kurzes und willkommenes Schweigen setzte ein, dann sagte Chutskys Stimme, die plötzlich aus weiter Ferne zu kommen schien: »He, Kumpel, alles in Ordnung mit dir?«
    »Ging mir nie besser«, antwortete ich, und auch meine Stimme klang sehr weit entfernt. »Aber ich glaube, ich halte mal ein kleines Nickerchen.«

31
    A ls ich erwachte, war das Zimmer dunkel und still und mein Mund trocken. Ich tastete einen Moment auf dem Nachttisch herum, bis ich eine Lampe entdeckte, und schaltete sie ein. In ihrem Schein sah ich, dass Chutsky die Vorhänge geschlossen hatte und irgendwohin verschwunden war. Außerdem entdeckte ich eine Flasche Mineralwasser neben der Lampe, und ich ergriff sie, riss den Verschluss auf und schüttete dankbar in einem Zug den halben Inhalt herunter.
    Ich stand auf. Ich war noch ein bisschen steif, weil ich auf dem Bauch geschlafen hatte, doch abgesehen davon fühlte ich mich überraschend gut, wenn auch hungrig, aber das war nun wahrlich keine Überraschung. Ich trat ans Fenster und öffnete die Vorhänge. Es war nach wie vor helllichter Tag, doch die Sonne hatte sich ein Stück weiter bewegt und brannte nicht mehr so stark. Ich sah hinaus auf den Hafen und die Ufermauer und die breite Promenade voller Menschen. Niemand schien in Eile; sie schlenderten eher ohne festes Ziel dahin, und hin und wieder sammelten sich Grüppchen, um zu reden, zu singen und, nach dem, was ich aus ihren sichtbaren Aktivitäten schließen konnte, Liebeskranken Ratschläge zu erteilen.
    Weiter draußen im Hafen schaukelte ein Reifen auf den Wellen, in dessen Mitte ein Mann hing und etwas hielt, das aussah wie ein kubanisches Jo-Jo, eine Rolle Angelschnur ohne Spule oder Rute. Und noch weiter draußen am Horizont fuhren drei große Schiffe, ob Frachter oder Passagierschiffe, konnte ich nicht erkennen. Die Vögel schwirrten über den Wellen, Sonnenlicht schimmerte auf dem Wasser, alles in allem ein schöner Anblick, und dabei wurde mir bewusst, dass es am Fenster absolut nichts zu essen gab, deshalb nahm ich meinen Zimmerschlüssel vom Nachttisch und machte mich auf den Weg in die Lobby.
    Auf der anderen Seite der Fahrstühle, jenseits der Rezeption, entdeckte ich einen großen, formellen Speisesaal und in einer Ecke daneben eine mit dunklem Holz getäfelte Bar. Beide schienen sehr nett, doch nicht

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