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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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warf Chutsky einen Blick auf die Uhr und verkündete: »Okay, Kumpel, gehen wir.«
    »Wohin?«
    Er zwinkerte mir zu. »Einen Freund treffen.« Er ergriff seine neue Aktentasche und ging zur Tür hinaus. Obzwar es etwas beunruhigend war, auf diese Weise angezwinkert zu werden, blieb mir keine Wahl, und so folgte ich ihm gehorsam aus dem Zimmer, wieder durch den Nebeneingang und in ein wartendes Taxi.
    Im schwindenden Licht waren die Straßen Havannas sogar noch geschäftiger. Ich kurbelte mein Fenster hinunter, um die Stadt zu sehen, zu hören und zu riechen, und wurde mit einer sich stetig verändernden, doch niemals abbrechenden Woge der Musik belohnt, die anscheinend aus jeder Tür und jedem Fenster drang sowie von den vielen Musikern kam, die sich auf den Straßen sammelten. Während wir durch die Stadt fuhren, schwoll ihr Lied an und ab und wandelte sich, doch irgendwie schien es immer wieder im Refrain von
Guantanamera
zu enden.
    Das Taxi folgte einer Marterstrecke durch holprige Straßen, immer durch Menschen, die sangen, Dinge verkauften und, merkwürdigerweise, Baseball spielten. Mein Orientierungssinn ließ mich praktisch umgehend im Stich, und als das Taxi vor einer Straßenbarriere aus großen Eisenkugeln anhielt, hatte ich keine Ahnung mehr, aus welcher Richtung wir gekommen waren. Ich folgte Chutsky eine Straße hoch, über eine Plaza und auf eine Kreuzung vor einem Gebäude, das ein Hotel zu sein schien. Im Licht der untergehenden Sonne leuchtete es orange-pink, und Chutsky führte mich hinein, vorbei an einer Pianobar und einer Reihe von Tischen, auf denen Bilder von Ernest Hemingway standen, die aussahen, als wären sie von Grundschulkindern gemalt worden.
    Dahinter, am anderen Ende der Lobby, befand sich unser Ziel, ein altmodischer Fahrstuhlkäfig, und Chutsky läutete die Glocke. Während wir warteten, sah ich mich um. An einer Seite stand ein Regal mit irgendwelchen Handelsgütern, und ich spazierte hinüber, um sie mir anzusehen. Es handelte sich um Aschenbecher, Tassen und ähnliche Dinge, sämtlich mit einem Konterfei Ernest Hemingways versehen, das in diesem Fall jedoch von jemandem gefertigt worden war, der zweifelsohne mehr Talent aufwies als die Grundschüler.
    Der Fahrstuhl traf ein, und ich ging zurück, um einzusteigen. Ein schweres, graues Eisengitter glitt zur Seite und enthüllte das Innere, einschließlich eines grimmigen alten Mannes, der die Hebel bediente. Chutsky und ich stiegen ein. Weitere Leute drängten herein, ehe der Fahrstuhlführer das eiserne Gitter schloss und den Hebel auf »Hoch« umlegte. Der Käfig ruckte, und wir stiegen langsam aufwärts, bis wir den fünften Stock erreichten. Dort riss der Führer an dem Hebel, und wir kamen polternd zum Stillstand. »Das Zimmer von Hemingway«, verkündete er. Er zog das Gitter auf, und die anderen Leute an Bord strömten hinaus. Ich sah kurz zu Chutsky, doch er schüttelte den Kopf und wies nach oben, weshalb ich stehen blieb und wartete, bis das Gitter sich wieder schloss und wir zwei weitere Stockwerke aufwärts ruckelten und schwankend zum Stillstand kamen. Der Mann öffnete das Gitter, und wir traten dankbar hinaus in einen kleinen Raum, eigentlich nicht mehr als ein Dach über dem Fahrstuhl und ein Treppenabsatz. In der Nähe konnte ich Musik vernehmen, und Chutsky bedeutete mir mit einem Winken, auf das Dach in Richtung des Klangs zu gehen.
    Ein Trio spielte ein Lied über
ojo verdes,
während wir das Spalier umrundeten, vor dem sie standen, drei Männer in weißen Hosen und Guayaberas. An der Mauer hinter ihnen befand sich eine Bar, doch auf den beiden anderen Seiten gab es nur Havanna, das sich unten im orangefarbenen Licht der untergehenden Sonne erstreckte.
    Chutsky ging voran zu einem niedrigen Tisch mit ein paar Klappstühlen und schob seine Aktentasche unter den Tisch, während wir uns setzten. »Schöne Aussicht, hm?«
    »Sehr schön«, sagte ich. »Sind wir deswegen hier?«
    »Nein, ich hab’s dir doch gesagt. Wir treffen einen Freund.«
    Und ob er mich nun hochnahm oder nicht, das war offensichtlich alles, was er zu diesem Thema zu sagen hatte. Wie auch immer, an diesem Punkt erschien der Kellner an unserem Tisch. »Zwei Mojitos«, bestellte Chutsky.
    »Ich glaube, ich bleibe lieber bei Bier«, sagte ich eingedenk meines Mojito-Nickerchens.
    Chutsky zuckte die Achseln. »Wie du möchtest. Probier ein Crystal, das ist ziemlich gut.«
    Ich nickte dem Kellner zu; wenn ich Chutsky überhaupt trauen konnte, dann

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