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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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den Empfang hinaus und verschwand in nebliger Ferne. Der Page führte uns vorbei an einer Gruppe Plüschsessel und einer Samtkordel zur Rezeption, wo der Angestellte am Tresen äußerst erfreut schien, uns zu sehen.
    »Señor Freeney«, grüßte er und deutete glücklich strahlend eine Verbeugung an. »Wie überaus schön, Sie wieder begrüßen zu dürfen.« Er zog eine Augenbraue hoch. »Gewiss sind Sie nicht wegen des Kunstfestivals hier?« Sein Akzent war weniger ausgeprägt als bei vielen Kubanern, die ich in Miami gehört hatte, und Chutsky schien ebenfalls sehr erfreut, ihn wiederzusehen.
    Chutsky langte über den Tresen und schüttelte ihm die Hand. »Wie geht es Ihnen, Rogelio?«, erkundigte er sich. »Ich freue mich auch. Ich bin hier, um einen neuen Burschen einzuführen.« Er legte mir die Hand auf die Schulter und schob mich nach vorn, als wäre ich ein mürrischer Junge, der seine Oma auf die Wange küssen sollte. »Das hier ist David Marcey, eine unserer großen Hoffnungen«, stellte er mich vor. »Kann höllisch gut predigen.«
    Rogelio schüttelte mir die Hand. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Señor Marcey.«
    »Danke«, sagte ich. »Es ist sehr schön hier.«
    Er deutete wiederum eine Verbeugung an, dann begann er auf einer Computertastatur zu tippen. »Ich hoffe, Sie genießen Ihren Aufenthalt«, sagte er. »Wenn Señor Freeney keine Einwände hat, bringe ich Sie in der Executive-Etage unter? So sind Sie näher am Frühstücksraum.«
    »Das klingt sehr gut«, erwiderte ich.
    »Ein Zimmer oder zwei?«, erkundigte er sich.
    »Ich glaube, diesmal reicht eins«, antwortete Chutsky. »Muss bei dieser Reise die Spesen im Auge behalten.«
    »Selbstverständlich«, sagte Rogelio. Er tippte rasch und ließ dann mit großer Geste zwei Schlüssel über den Tresen gleiten. »Hier, bitte schön.«
    Chutsky legte die Hand auf die Schlüssel und beugte sich ein wenig vor. »Eins noch, Rogelio«, sagte er mit gesenkter Stimme. »Wir erwarten noch einen Freund von uns aus Kanada. Namens Brandon Weiss.« Er nahm die Schlüssel vom Tresen, und an ihrer Stelle lag ein Zwanzigdollarschein. »Wir würden ihn gern überraschen«, erklärte er. »Er hat Geburtstag.«
    Rogelios Hand schnellte vor, der Schein verschwand wie eine Fliege, die von einer Echse gefangen wird. »Selbstverständlich. Ich gebe Ihnen umgehend Bescheid.«
    »Danke, Rogelio«, sagte Chutsky, wandte sich ab und bedeutete mir, ihm zu folgen. Ich zockelte ihm und dem Pagen mit unserem Gepäck zum anderen Ende der Lobby hinterher, wo eine Reihe Fahrstühle bereitstand, um uns in die Executive-Etage zu tragen. Eine Gruppe in sehr hübsche Freizeitkleidung gewandete Menschen wartete bereits, und es kann an meiner fieberhaften Phantasie gelegen haben, doch mir schien, sie musterten voll Abscheu unsere Missionarsverkleidung. Dennoch blieb mir nichts übrig, als dem Drehbuch zu gehorchen, und so lächelte ich sie an und verkniff mir ein religiöses Zitat, vielleicht aus der Offenbarung.
    Die Tür glitt auf, und die Menge wogte in den Aufzug. Der Page lächelte und sagte: »Gehen Sie ruhig voraus, Sir, ich komme in zwei Minuten nach«, und der ehrenwerte Reverend Freeney und ich stiegen ein.
    Die Türen schlossen sich. Ich erhaschte ein paar ängstliche Blicke auf meine Schuhe, doch niemand sagte etwas, und ich hielt es ebenso. Ich fragte mich jedoch, warum wir uns ein Zimmer teilen mussten. Ich hatte seit dem College keinen Zimmergenossen mehr gehabt, und es hatte schon damals nicht sonderlich gut funktioniert. Außerdem wusste ich ganz genau, dass Chutsky schnarchte.
    Die Türen glitten auf, und wir stiegen aus. Ich folgte Chutsky zu einem weiteren Empfangsbereich, in dem ein Kellner neben einem Teewagen wartete. Er verbeugte sich und reichte jedem von uns ein hohes Glas.
    »Was ist das?«, erkundigte ich mich.
    »Kubanisches Gatorade«, sagte Chutsky. »Prost.« Er leerte sein Glas und stellte es auf den Wagen, deshalb gestattete ich mir, dasselbe zu tun. Das Getränk schmeckte mild, süß, leicht minzig, und ich fand, dass es in der Tat recht erfrischend war, etwa wie Gatorade an einem heißen Tag. Ich stellte mein leeres Glas neben Chutskys. Er nahm sich noch eins, also tat ich es ihm gleich. »Salud«, sagte er. Wir stießen an und tranken. Es schmeckte wirklich gut, und da ich in der Hast, zum Flughafen zu gelangen, weder etwas gegessen noch getrunken hatte, gab ich mich dem Genuss hin.
    Hinter uns öffneten sich die Fahrstuhltüren, und unser Page

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