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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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gewiss bei seinen Bierempfehlungen. Der Kellner erwiderte mein Nicken und ging zur Bar, um unsere Bestellung zu holen, und das Trio stürzte sich in
Guantanamera
.
    Wir hatten erst einen Schluck getrunken, als sich ein Mann unserem Tisch näherte. Er war sehr klein, trug braune Hosen, eine limonengrüne Guayabera und eine Aktentasche, die der von Chutsky außerordentlich ähnelte.
    Chutsky sprang auf und streckte die Hand aus. »Iii-bängh«, brüllte er, und es dauerte einen Moment, ehe mir klar wurde, dass er keineswegs einen Anfall des Tourette-Syndroms erlitten hatte, sondern nur den Namen unseres Besuchers kubanisch aussprach: »Ivan«. Auch Iii-bängh streckte den Arm aus und umarmte Chutsky, während sie Hände schüttelten.
    »Cahm-
beyl!
«, sagte Iii-bängh, und wieder brauchte ich einen Moment – diesmal, weil ich nicht mehr daran gedacht hatte, dass Chutsky Reverend Campbell Freeney war. Als der Groschen endlich fiel, hatte Ivan sich schon umgedreht und betrachtete mich mit hochgezogenen Brauen. »Oh, he«, stellte Chutsky vor. »Das ist David Marcey. David, Ivan Echeverria.«
    »Mucho gusto«,
sagte Ivan und schüttelte mir die Hand.
    »Sehr erfreut«, versicherte ich auf Englisch, da ich nicht ganz sicher war, ob »David« überhaupt Spanisch sprach.
    »Nun, setz dich«, sagte Chutsky und winkte dem Kellner. Der Kellner eilte herbei und nahm Ivans Mojito-Bestellung entgegen. Nachdem er sie serviert hatte, tranken Chutsky und Ivan und plauderten in sehr raschem kubanischem Spanisch. Mit ein wenig Mühe hätte ich ihnen vermutlich folgen können, doch schien mir das eine Menge Arbeit für ein offenbar privates Gespräch, das hauptsächlich im Austausch liebevoller Erinnerungen bestand – und ehrlich gesagt, hätte ich sie auch ausgeblendet, wenn sie etwas wesentlich Interessanteres als »Weißt du noch?« diskutiert hätten; denn mittlerweile war die Nacht angebrochen, und über den Rand des Daches hob sich ein riesiger, rotgelber Mond, ein geschwollener, affektiert lächelnder, blutdurstiger Mond, und sein Anblick verwandelte jeden Zoll meiner Haut in einen eisigen Teppich aus Gänsehaut, die Härchen auf meinen Armen und Beinen standen senkrecht und heulten, und durch die Gänge von Burg Dexter rannte ein kleiner, dunkler Lakai, der jedem Ritter der Nacht den Befehl überbrachte,
jetzt
aufzubrechen und
es
zu
tun.
    Aber es sollte natürlich nicht sein. Dies war kein Abend, sich gehenzulassen, sondern unglücklicherweise ein Abend, sich zusammenzureißen. Ein Abend, um rasch warm werdendes Bier zu trinken und so zu tun, als könnte ich dem Trio lauschen und es genießen; ein Abend, um Iii-bängh höflich anzulächeln und sich zu wünschen, dass alles vorüber wäre und ich zurückkönnte, um in Ruhe und Frieden wieder meinem mörderischen Hobby zu frönen. Der Abend musste ertragen werden, in der Hoffnung, dass einer der nächsten Tage mich mit einem Messer in der einen und Weiss an der anderen Hand erleben würde.
    Bis dahin blieb mir nur, tief Luft zu holen, Bier zu trinken und so zu tun, als genösse ich die herrliche Aussicht und die wunderbare Musik. Üb dein gewinnendes Lächeln, Dexter. Wie viel Zähne dürfen wir zeigen? Sehr gut; und nun ohne Zähne, nur die Lippen. Wie hoch kannst du deine Mundwinkel ziehen, ehe es so aussieht, als littest du enorme innere Schmerzen?
    »He, alles in Ordnung, Kumpel?«, rief Chutsky zwanzig Minuten später. Offensichtlich war mir mein Lächeln von Glücklich zu Eingefroren verrutscht.
    »Aber ja«, versicherte ich. »Einfach – äh, in Ordnung.«
    »Mhm«, erwiderte er, wirkte aber nicht sonderlich überzeugt. »Nun, vielleicht sollten wir dich lieber ins Hotel bringen.« Er leerte sein Glas und stand auf, Ivan tat es ihm gleich. Sie schüttelten einander die Hände, und dann setzte sich Ivan wieder, und Chutsky griff nach seiner Aktentasche, und wir gingen zum Fahrstuhl. Als ich mich noch einmal umdrehte, bestellte Ivan gerade ein weiteres Getränk, und ich sah Chutsky mit hochgezogener Braue an.
    »Oh«, sagte er. »Wir wollen nicht zusammen verschwinden. Du weißt schon, zur selben Zeit.«
    Nun, ich vermute, das ergab ebenso viel Sinn wie alles andere, da wir ja mittlerweile in einem Spionagefilm zu leben schienen, deshalb musterte ich argwöhnisch alle Menschen, die wir auf dem Weg zum Fahrstuhl passierten, um mich zu vergewissern, dass sie keine Agenten irgendeines bösen Kartells waren. Offensichtlich waren sie keine, denn wir gelangten sicher nach

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