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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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unten und auf die Straße. Doch als wir die Fahrbahn auf der Suche nach einem Taxi überquerten, kamen wir an einer Pferdekutsche vorbei, etwas, was ich wirklich hätte merken und vermeiden sollen, da Tiere mich verabscheuen. Das Pferd schlug aus – obwohl es alt und müde war und vergnügt auf etwas in einem Futtersack gekaut hatte. Es war kein besonders beeindruckendes Manöver, wohl kaum ein John-Wayne-Moment, doch es brachte beide Hufe vom Boden hoch und schnaubte mich äußerst ungehalten an, was seinen Kutscher fast ebenso erschreckte wie mich. Doch ich hastete vorbei, und es gelang uns, ein Taxi zu besteigen, ohne dass ein Schwarm Fledermäuse einen Angriff auf mich flog.
    Schweigend legten wir den Weg zum Hotel zurück. Chutsky hielt die Aktentasche auf dem Schoß und sah aus dem Fenster, während ich versuchte, diesen üppigen, überwältigenden Mond zu überhören. Das funktionierte jedoch nicht sonderlich gut; er hing über jeder Postkartenansicht von Havanna, die wir durchquerten, leuchtend und lechzend und mit wunderbaren Einfällen. Warum konnte ich nicht zum Spielen kommen? Doch das konnte ich nicht. Ich konnte nur sein Lächeln erwidern und versichern: Bald. Sehr bald.
    Sobald ich Weiss gefunden hatte.

32
    W ir kehrten ohne weitere Vorfälle und ohne mehr als ein Dutzend Worte zu wechseln in unser Zimmer zurück. Chutskys mangelnde Gesprächigkeit stellte sich als wahrhaft reizender Wesenszug heraus, denn je weniger er redete, desto weniger Interesse war ich zu heucheln gezwungen, was wiederum meine Gesichtsmuskeln vor Abnutzung bewahrte. Hinzu kam, dass die wenigen Worte, die er sprach, so liebenswürdig und gewinnend waren, dass ich beinah bereit war, ihn zu mögen. »Ich bring das nur schnell ins Zimmer«, sagte er und hielt die Aktentasche hoch. »Dann kümmern wir uns ums Abendessen.« Weise und willkommene Worte; da ich heute Abend nicht im wundervollen dunklen Licht des Mondes spielen durfte, war Abendessen ein akzeptabler Ersatz.
    Wir nahmen den Fahrstuhl nach oben und schlenderten den Flur entlang zu unserem Zimmer. Nachdem wir es betreten hatten, legte Chutsky die Aktentasche bedächtig aufs Bett und setzte sich daneben. Mittlerweile war mir aufgefallen, dass er sie mit in die Bar auf dem Dach genommen hatte, ohne dass ich einen Grund dafür erkennen konnte, und nun äußerst behutsam damit hantierte. Da Neugier zu meinen wenigen Schwächen zählt, beschloss ich, darin zu schwelgen und den Grund herauszufinden.
    »Was ist denn so wichtig an den
maracas?
«, fragte ich ihn.
    Er lächelte. »Nichts. Absolut verdammt gar nichts.«
    »Und warum schleppst du sie dann durch ganz Havanna?«
    Er hielt die Aktentasche mit dem Haken fest und öffnete sie mit der Hand. »Weil sie keine
maracas
mehr sind.« Und seine Hand glitt in die Tasche und zog eine sehr ernsthaft aussehende Automatikpistole heraus. »Simsalabim.«
    Ich dachte an Chutsky, der die Aktentasche durch die ganze Stadt geschleppt hatte, um Iii-bängh zu treffen, der eine identische Aktentasche bei sich trug – die sie unter dem Tisch ausgetauscht hatten, während wir dort saßen und
Guantanamera
lauschten.
    »Du hast alles arrangiert, um die Tasche mit deinem Freund zu tauschen«, sagte ich.
    »Bingo.«
    Sicherlich war es nicht die klügste Bemerkung, die ich jemals gemacht habe, doch ich war überrascht, und mir entschlüpfte ein: »Aber wozu?«
    Chutsky lächelte mich dermaßen herzlich, tolerant und von oben herab an, dass ich am liebsten die Waffe auf ihn gerichtet und den Abzug betätigt hätte. »Das ist eine Pistole, Kumpel«, sagte er. »Was glaubst du, wozu man die benutzt?«
    »Äh, Notwehr?«, schlug ich vor.
    »Du weißt doch noch, warum wir hier sind, oder?«
    »Um Brandon Weiss zu finden.«
    »Finden?«,
raunzte Chutsky. »Ist es das, was du dir einredest? Dass wir ihn
finden
wollen?« Er schüttelte den Kopf. »Wir sind hier, um ihn zu töten, Kumpel. Das musst du dir unbedingt klarmachen. Es reicht nicht, ihn zu finden, wir müssen ihn erledigen. Ihn umbringen. Was sollen wir deiner Meinung nach denn sonst tun? Ihn mit nach Hause nehmen und dem Zoo schenken?«
    »Ich dachte, so was sieht man hier nicht so gern«, erwiderte ich. »Ich meine, wir sind hier nicht in Miami, weißt du?«
    »Und auch nicht in Disneyland«, sagte er – überflüssigerweise, wie ich fand. »Das hier wird kein Picknick, Kumpel. Wir sind hier, um den Kerl umzubringen, und je eher du dich an die Vorstellung gewöhnst, desto besser.«
    »Ja,

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