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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Straße.
    »Scheiße«, fluchte Deborah. »Scheiße, Scheiße,
Scheiße.
«
    Ich blickte sie mit hochgezogenen Augenbrauen an, doch sie schüttelte den Kopf. Sie wirkte erschöpft, Wut und Anspannung hatten sie verlassen. »Ich weiß, dass es blöd ist«, sagte sie. »Ich hatte gehofft, sie hätte irgendwas gesehen. Ich meine …« Sie zuckte die Achseln und wandte sich ab, sah in Richtung der Leiche im Eingang. »Die schwulen Touristen finden wir nie. Nicht in South Beach.«
    »Sie können sowieso nichts gesehen haben«, bemerkte ich.
    »Am helllichten Tag. Und niemand soll etwas gesehen haben?«
    »Die Menschen sehen, was sie zu sehen erwarten«, erklärte ich. »Er hat vermutlich einen Lieferwagen benutzt, und dadurch war er praktisch unsichtbar.«
    »Ach, Scheiße«, fluchte sie wieder, doch schien es nicht die richtige Gelegenheit, sie ob ihres eingeschränkten Wortschatzes zu ermahnen. Sie drehte sich wieder zu mir um. »Ich nehme nicht an, dass dir dieser Anblick etwas Nützliches verraten hat.«
    »Lass mich ein paar Fotos machen und ein bisschen nachdenken.«
    »Das heißt nein, stimmt’s?«
    »Nicht ausdrücklich«, erwiderte ich. »Eher implizit.«
    Deborah zeigte mir den Mittelfinger. »Implizier dir das«, fauchte sie, drehte sich um und stapfte zurück, um die Leiche in Augenschein zu nehmen.

7
    W irklich überraschend, aber wahr: kalter
coq au vin
schmeckt nicht so delikat, wie man annehmen sollte. Der Wein verströmt irgendwie das Aroma schalen Biers, und das Hühnchenfleisch ist leicht glitschig. Die Erfahrung wird zu einer von grimmigem Durchhaltevermögen geprägten Tortur angesichts bitter enttäuschter Erwartungen. Eins jedoch ist Dexter auf jeden Fall, ausdauernd, und als ich gegen Mitternacht nach Hause zurückkehrte, arbeitete ich mich mit stoischer Härte durch eine Riesenportion des Zeugs.
    Rita wachte nicht auf, als ich ins Bett schlüpfte, und auch ich bummelte nicht lange an den Gestaden des Schlafs herum. Ich schloss die Augen, und es schienen nur Sekunden vergangen, als der Wecker neben dem Bett mich anbrüllte, um mich an die wachsende Welle furchtbarer Gewalt zu erinnern, die unsere arme, geplagte Stadt zu überrollen drohte.
    Ich klappte widerwillig ein Auge auf und erkannte, dass es tatsächlich sechs Uhr und damit Zeit zum Aufstehen war. Es schien mir unfair, doch schleppte ich mich dennoch aus dem Bett ins Bad, und als ich in der Küche eintrudelte, hatte Rita bereits das Frühstück auf den Tisch gestellt. »Wie ich sehe, hast du noch von dem Huhn gegessen«, sagte sie – ein wenig säuerlich, wie ich fand, und mir wurde klar, dass ein kleiner Kniefall angebracht war.
    »Es war wunderbar«, log ich. »Besser als in Paris.«
    Das heiterte sie ein wenig auf, aber sie schüttelte trotzdem den Kopf. »Lügner. Kalt schmeckt es einfach nicht so gut.«
    »Du hast Magie in den Händen«, erwiderte ich. »Es schmeckte warm.«
    Sie runzelte die Stirn und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. »Ich weiß, dass du das tun musst«, sagte sie. »Ich meine, deine Arbeit ist … Aber ich wünschte mir, du hättest es probiert, als … Ich meine, ehrlich, ich versteh das«, schloss sie, während ich nicht sicher war, ob ich dasselbe von mir behaupten konnte. Rita stellte einen Teller mit Spiegeleiern und Würstchen vor mir ab und nickte in Richtung des kleinen Fernsehers neben der Kaffeemaschine. »Es war heute Morgen überall in den Nachrichten, dieser … Darum ging es gestern, oder? Sie haben deine Schwester interviewt wegen, du weißt schon. Sie sah nicht besonders glücklich aus.«
    »Sie ist auch nicht glücklich«, erwiderte ich. »Was ein wenig undankbar scheint, da sie doch einen wahrhaft anspruchsvollen Beruf hat und ins Fernsehen kommt. Was will man mehr?«
    Mein fröhlicher Scherz brachte Rita nicht zum Lächeln. Stattdessen zog sie einen Stuhl heran und legte die Stirn in noch tiefere Falten, während sie sich mit gefalteten Händen setzte. »Dexter«, sagte sie. »Wir müssen unbedingt reden.«
    Ich weiß aus meinen Recherchen des menschlichen Lebens, dass dies die Worte sind, die Männerseelen in Angst und Schrecken versetzen. Bequemerweise habe ich keine Seele, aber dennoch spürte ich ein gewisses Unbehagen, was diese rätselhaften Silben wohl bedeuten mochten. »So bald nach den Flitterwochen?«, fragte ich in der Hoffnung, der Situation zumindest ein klein wenig von ihrem Ernst zu nehmen.
    Rita schüttelte den Kopf. »Es geht nicht, ich meine …« Sie wedelte

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