Die schöne Kunst des Mordens
mit der Hand und ließ sie dann wieder in den Schoß fallen. Sie seufzte tief. »Es geht um Cody«, sagte sie schließlich.
»Oh«, erwiderte ich ohne den Hauch einer Ahnung, welche Sorte
Es
um Cody gehen könnte. Mir schien er vollkommen in Ordnung – andererseits wusste ich besser als Rita, dass Cody mitnichten der kleine stille Junge war, der er zu sein schien, sondern ein Dexter in der Ausbildung.
»Er scheint so, so …« Erneut schüttelte sie den Kopf und senkte den Blick, ihre Stimme brach. »Ich weiß, dass sein … Vater … Dinge … getan hat, die ihm …
weh taten.
Vermutlich hat ihn das für immer verändert. Aber …« Sie sah zu mir auf, in ihren Augen schimmerten Tränen. »Es ist nicht richtig, er dürfte nicht so sein. Oder? Immer so still und …« Sie senkte wieder den Blick. »Ich habe einfach Angst, weißt du.« Eine Träne fiel auf ihren Schoß, sie schniefte. »Er könnte … du weißt schon … auf Dauer …«
Weitere Tränen gesellten sich zur ersten, und obgleich ich im Angesicht von Gefühlen im Allgemeinen hilflos bin, wusste ich, dass jetzt eine Art beruhigender Geste angebracht war.
»Mit Cody ist alles in Ordnung«, sagte ich und pries meine Fähigkeit, überzeugend zu lügen. »Er muss nur ein bisschen aus seinem Schneckenhaus herauskommen.«
Rita schniefte wieder. »Glaubst du das echt?«
»Ganz gewiss«, erwiderte ich und legte meine Hand auf ihre, wie ich es vor nicht allzu langer Zeit in einem Film gesehen hatte. »Cody ist ein toller Junge. Er wird nur nicht so schnell reif wie die anderen. Wegen dem, was er erlebt hat.«
Sie schüttelte den Kopf, eine Träne traf mein Gesicht. »Das kannst du nicht wissen«, sagte sie.
»Doch, das kann ich«, widersprach ich ihr, und seltsamerweise war es die Wahrheit. »Ich weiß ganz genau, was er durchmacht, weil ich dasselbe durchgemacht habe.«
Sie sah mich aus äußerst leuchtenden, nassen Augen an. »D… du hast nie über das gesprochen, was dir zugestoßen ist.«
»Nein, und das werde ich auch nicht. Aber es war dem, was Cody passiert ist, sehr, sehr ähnlich, und deshalb kenne ich mich aus. Vertrau mir, Rita.« Und ich tätschelte ihr wieder die Hand, während ich dachte,
ja, vertrau mir.
Vertrau mir, dass ich Cody in ein gut angepasstes, reibungslos funktionierendes Ungeheuer verwandeln werde, genau wie ich
eins bin.
»Oh, Dexter«, sagte sie, »ich vertraue dir ja. Aber er ist so …« Sie schüttelte wieder den Kopf, und Tränen sprühten durch den Raum.
»Alles wird gut«, versicherte ich. »Ehrlich. Wie gesagt, er muss nur ein wenig aus seinem Schneckenhaus herauskommen. Lernen, mit Kindern seines Alters zurechtzukommen.«
Und lernen, wie man vorgibt, genauso zu sein,
dachte ich, aber das schien kein sonderlich beruhigender Gedanke, deshalb behielt ich ihn für mich.
»Wenn du dir ganz sicher bist«, sagte sie mit einem wahrhaft gewaltigen Schniefen.
»Das bin ich«, versicherte ich.
»Also gut«, sagte sie, nahm eine Serviette vom Tisch und tupfte sich Augen und Nase. »Dann wollen wir einfach …« Schnief. Trööt. »Ich schätze, dann müssen wir uns einfach etwas einfallen lassen, um ihn mit anderen Kindern zusammenzubringen.«
»Das ist genau der richtige Weg«, stimmte ich zu. »Du wirst sehen, wir haben ihn im Handumdrehen so weit, dass er beim Kartenspielen schummelt.«
Rita schneuzte sich ein letztes, ausgiebiges Mal.
»Manchmal würde ich gar nicht merken, dass du einen Witz machst«, sagte sie, stand auf und küsste mich auf den Scheitel, »wenn ich dich nicht so gut kennen würde.«
Wenn sie mich tatsächlich so gut kennen würde, wie sie glaubte, würde sie selbstverständlich mit einer Gabel auf mich einstechen und um ihr Leben rennen, doch uns unsere Illusionen zu erhalten ist ein wichtiger Teil des Lebens, deshalb schwieg ich, und das Frühstück nahm seinen wunderbaren, beruhigend monotonen Fortgang. Bedient zu werden ist ein echtes Vergnügen, besonders von einer Person, die ganz genau weiß, was sie in ihrer Küche tut, und es war das ganze Geplauder wert, von dem es begleitet wurde.
Cody und Astor gesellten sich zu uns, während ich meine zweite Tasse Kaffee trank. Die beiden saßen mit absolut identischen Mienen betäubten Nichtbegreifens nebeneinander. Ihnen mangelte es an den Segnungen des Kaffees, und so benötigten sie mehrere Minuten, bis ihnen bewusst wurde, dass sie tatsächlich wach waren. Selbstverständlich war es Astor, die das Schweigen brach.
»Sergeant
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