Die schöne Kunst des Mordens
Debbie war im Fernsehen«, verkündete sie. Astor litt an einem befremdlichen Fall von Heldenverehrung, seit sie herausgefunden hatte, dass Deborah eine Waffe trug und große, massige Streifenpolizisten herumkommandierte.
»Das gehört zu ihrem Job«, erklärte ich, obgleich mir klar war, dass dies vermutlich der Heldenverehrung weitere Nahrung gab.
»Warum bist du nie im Fernsehen, Dexter?«, fragte sie anklagend.
»Ich will nicht ins Fernsehen«, antwortete ich, worauf sie mich ansah, als hätte ich vorgeschlagen, Eiscreme gesetzlich zu verbieten. »Ehrlich«, fügte ich hinzu. »Stell dir mal vor, jeder wüsste, wie ich aussehe. Ich könnte nicht mal die Straße runtergehen, ohne dass Leute auf mich zeigen und hinter meinem Rücken über mich reden würden.«
»Niemand zeigt auf Sergeant Debbie«, sagte sie.
Ich nickte. »Natürlich nicht. Wer würde das wagen?«
Astor wirkte, als sei sie bereit, einen Streit anzufangen, deshalb stellte ich abrupt meine Kaffeetasse ab und stand auf. »Ich muss los, zu einem weiteren Tag gewaltiger Aufgaben, um die guten Leute unserer Stadt vor dem Bösen zu schützen.«
»Mit dem Mikroskop kann man niemanden beschützen«, nörgelte Astor.
»Das reicht, Astor«, mahnte Rita und huschte herüber, um mir einen weiteren Kuss aufzupflanzen, diesmal ins Gesicht. »Ich hoffe, du kriegst ihn, Dexter. Es klingt grauenhaft.«
Auch ich hoffte, dass wir ihn erwischten. Vier Opfer an einem Tag schienen ein wenig übereifrig, selbst in meinen Augen. Dadurch verbreitete sich mit Sicherheit überall in der Stadt eine paranoide Wachsamkeit, die mir nicht gestatten würde, in aller Ruhe meinem kleinen Hobby zu frönen.
Darum war ich auf dem Weg zur Arbeit wild entschlossen, dem Recht zum Sieg zu verhelfen. Selbstverständlich müsste jeder echte Versuch, das Recht durchzusetzen, beim Straßenverkehr beginnen, da die Fahrer Miamis schon vor langer Zeit die einfache Aufgabe, von einem Ort zum anderen zu gelangen, in eine Art bewaffnetes Hochgeschwindigkeits-Autoscooter auf hohem Niveau verwandelt haben. Noch interessanter wird es durch die Tatsache, dass sich die Regeln von Fahrer zu Fahrer ändern.
Folgendes Beispiel: Während ich im dichten Verkehr auf der Schnellstraße dahinglitt, begann ein Mann auf der Fahrbahn neben mir plötzlich zu hupen. Als ich mich nach ihm umwandte, zeigte er mir den Finger, brüllte:
»Maricón!«,
zwängte sich vor mich und dann weiter auf die Standspur, auf der er davonbrauste.
Ich hatte nicht die geringste Ahnung, was er mit dieser Vorstellung bezweckte, deshalb winkte ich ihm einfach nach, während der Wagen in einem Konzert aus Hupen und Gebrüll verschwand. Die Stoßzeit-in-Miami-Symphonie.
Ich kam ein wenig zu früh zur Arbeit, doch das Gebäude summte bereits vor hektischer Aktivität. Im Presseraum tummelten sich mehr Menschen, als ich dort jemals gesehen hatte – zumindest nahm ich an, dass es Menschen waren, bei Reportern kann man das nie genau sagen. Die wahre Brisanz der Situation ging mir auf, als ich Dutzende von Kameras und Mikrophonen erblickte, jedoch keine Spur von Captain Matthews.
Weitere beispiellose Schrecken erwarteten mich: Am Aufzug stand ein Streifenpolizist und verlangte meinen Ausweis, ehe er mich passieren ließ, obwohl ich den Mann flüchtig kannte. Und, schlimmer noch – als ich endlich im Laborbereich eintraf, stellte ich fest, dass Vince tatsächlich eine Tüte Croissants mitgebracht hatte.
»Gütiger Himmel«, sagte ich, während ich auf die Krümel starrte, die Vince’ Hemdbrust zierten. »Das war ein Witz, Vince.«
»Ich weiß«, erwiderte er. »Aber es klang irgendwie stilvoll, deshalb …« Er zuckte die Achseln, und ein Schauer Croissantkrümel regnete zu Boden. »Es gibt sie auch mit Schokoladenfüllung. Und mit Schinken und Käse.«
»Ich glaube nicht, dass man das in Paris gutheißen würde«, sagte ich.
»Wo zum Teufel bist du gewesen?«, blaffte Deborah hinter mir und schnappte sich ein Schinken-Käse-Croissant.
»Einige von uns schlafen gelegentlich«, gab ich zurück.
»Einige von uns
kommen nicht
zum Schlafen«, erwiderte sie. »Weil einige von uns versuchen zu arbeiten, trotz der Kamerateams aus Scheißbrasilien und Gott weiß woher.« Sie riss mit den Zähnen ein Riesenstück aus ihrem Croissant, betrachtete mit vollem Mund den Rest in ihrer Hand und fragte: »Jesus Christus, was ist das denn?«
»Ein französischer Doughnut«, erklärte ich.
Debs warf den Rest nach einem in der Nähe
Weitere Kostenlose Bücher