Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
und Autorität, nicht eben dazu angetan war, jemandes Vertrauen zu gewinnen – besonders nicht das einer Person, die aussah, als hätte sie die Castingagentur geschickt, um die Rolle der Putzfrau ohne Arbeitsgenehmigung zu spielen. Deborah funkelte mich wütend an, als wäre es meine Schuld, dass sie Arabelle einschüchterte, deshalb beschloss ich, ihr zu helfen.
    Es ist nicht so, dass ich Deborah für inkompetent hielte – sie ist sehr gut in ihrem Job; schließlich liegt es ihr im Blut. Und die Vorstellung, dass mich zu kennen mich zu lieben bedeutet, hat niemals die schattige Schwelle meines Verstands passiert. Eigentlich eher das Gegenteil. Doch Arabelles Aufregung verriet, dass sie nicht gerade von der Begeisterung des Entdeckers erfüllt war. Stattdessen war sie vollkommen hysterisch und hatte die Grenze zur geistigen Gesundheit schon diverse Meter hinter sich gelassen. Zum Glück für den dunklen, düsteren Dexter bedarf es wie bei so vielen menschlichen Interaktionen weder besonderen Einfühlungsvermögens noch Menschenfreundlichkeit, um mit hysterischen Personen zu sprechen. Es ist reine Technik, Handwerk, keine Kunst, und deshalb gehört es selbstverständlich zu den Fachkenntnissen eines jeden, der menschliches Verhalten studiert und kopiert. Lächle an den richtigen Stellen, nicke, gib vor zuzuhören – ich hatte das schon vor Ewigkeiten gemeistert.
    »Arabelle«, begann ich in beruhigendem Tonfall mit einem geeigneten mittelamerikanischen Akzent, und einen Moment lang stellte sie das Kopfschütteln ein.
    »Arabelle,
necesitamos descubrir este monstruo.
« Ich sah zu Debs hinüber und sagte: »Das hat ein Ungeheuer getan, richtig?«, und ihr Kinn ruckte in einem zustimmenden Nicken auf und ab.
    »Dígame, por favor«,
sagte ich beruhigend, und Arabelle senkte erfreulicherweise eine Hand und zeigte ihr Gesicht.
    »Sí?«,
fragte sie schüchtern, und ich staunte wieder einmal über die Macht meines schmeichlerischen, synthetischen Charmes. In zwei Sprachen, wohlgemerkt.
    »En inglés?«,
fragte ich mit einem überzeugenden falschen Lächeln.
»Porque mi hermana no habla español«,
erklärte ich mit einem Nicken zu Deborah. Ich war sicher, dass Deborah »meine Schwester« zu nennen statt »die Autoritätsperson mit einer Waffe, die dich zurück nach El Salvador verfrachten möchte, nachdem sie zugesehen hat, wie du zusammengeschlagen und vergewaltigt worden bist« eher dazu führen würde, dass sie sich ein wenig entspannte. »Sprechen Sie Englisch?«
    »Klein bisschen«, antwortete sie.
    »Gut«, sagte ich. »Erzählen Sie meiner Schwester, was Sie gesehen haben.« Ich trat einen Schritt zurück, nur um festzustellen, dass Arabelle die Hand ausgestreckt hatte und sich an meinen Arm klammerte.
    »Du nicht gehen?«, bat sie schüchtern.
    »Ich bleibe hier«, versicherte ich. Forschend sah sie mich einen Augenblick an. Ich habe keine Ahnung, wonach sie suchte, doch anscheinend glaubte sie, es entdeckt zu haben. Sie ließ meinen Arm los, faltete die Hände vor dem Körper und drehte sich zu Deborah, beinah in Habtachtstellung.
    Auch ich sah Deborah an und musste feststellen, dass sie mich ungläubig anstarrte. »Himmel«, sagte sie. »Sie vertraut dir, aber mir nicht?«
    »Sie kann erkennen, dass mein Herz rein ist«, erklärte ich.
    »
Was
ist rein?«, fragte Deborah kopfschüttelnd. »Himmel! Wenn die wüsste.«
    Ich muss einräumen, dass die ironische Beobachtung meiner Schwester ein Körnchen Wahrheit enthielt. Sie hat erst kürzlich entdeckt, was ich bin, und es wäre leicht untertrieben zu behaupten, dass ihr dieses Wissen ein wenig Unbehagen bereitete. Doch hatte ihr Vater, der heilige Harry, alles abgesegnet und in die Wege geleitet, und selbst nach seinem Tod würde sie seine Autorität niemals in Frage stellen – noch würde ich das tun, nebenbei gesagt. Dennoch war ihr Ton für jemanden, der auf meine Hilfe zählte, etwas spitz, und es tat ein bisschen weh. »Wenn du möchtest«, bot ich an, »kann ich auch gehen und euch allein lassen.«
    »No!«,
rief Arabelle, und erneut flog ihre Hand hoch und heftete sich an meinen Arm. »Du sagen du bleiben«, sagte sie, Anklage, wenn nicht Panik in der Stimme.
    Ich zog eine Braue hoch und sah Deborah an.
    Die zuckte die Achseln. »Von mir aus«, knurrte sie. »Bleib.«
    Ich tätschelte Arabelles Hand und eiste mich los. »Ich bin hier«, sagte ich und fügte hinzu:
»Yo espero aquí.«
Ein weiteres komplett künstliches Lächeln schien sie aus

Weitere Kostenlose Bücher