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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Aufmerksamkeit zu erregen, wendete ich den Wagen und fuhr zurück zur Südseite des Schulgeländes. Ich folgte dem Zaun bis zum Ende der Straße, wo das Ufer des Sees begann, parkte dort unsichtbar für Weiss an der Stahlbarrikade und stieg aus. Rasch lief ich zu dem schmalen Pfad zwischen See und Zaun und hastete voran.
    Aus der Ferne ertönte die Schulglocke. Der Unterricht war für heute beendet, und jetzt war Weiss am Zug. Ich sah ihn, er kniete noch immer vor dem Vorhängeschloss. Ich konnte jedoch keine langen Griffe eines Bolzenschneiders ausmachen, zudem würde er einige Minuten benötigen, um das Schloss zu knacken oder aufzuschneiden. Doch einmal im Inneren konnte er gemütlich am Zaun entlangspazieren und so tun, als kontrollierte er den Maschendraht. Ich erreichte den Saum der Baumgruppe und eilte hindurch. Vorsichtig trat ich über kleine Müllhaufen – Bierdosen, Plastikflaschen, Hühnchenknochen und weitere wenig erfreuliche Objekte – und erreichte das andere Ende, wo ich kurz stehen blieb, um mich zu vergewissern, dass Weiss noch dort war und an dem Schloss herumfummelte. Der Lieferwagen stand im Weg, so dass ich ihn nicht sah, doch soweit ich erkennen konnte, war das Tor nach wie vor geschlossen. Ich holte tief Luft, sog die Dunkelheit ein und ließ mich von ihr ergreifen, dann trat ich hinaus ins grelle Sonnenlicht.
    Beinah rennend bewegte ich mich nach rechts, zum Heck des Lieferwagens, um ihn von hinten zu überraschen. Leise, vorsichtig, geborgen in den dunklen Schwingen, die sich um mich breiteten, durchquerte ich die Strecke bis zum Lieferwagen, umrundete das Heck und erstarrte, als ich die Gestalt sah, die vor dem Tor kniete.
    Er blickte über die Schulter und bemerkte mich. »Was ’n los?«, fragte der Mann. Er war ungefähr fünfzig, schwarz und absolut nicht Weiss.
    »Oh«, erwiderte ich mit meiner üblichen Geistesgegenwart. »Hallo.«
    »Die verdammten Blagen haben Kleber ins Schloss geschmiert«, erklärte er, während er sich wieder dem Schloss zuwandte.
    »Was haben die sich nur dabei gedacht«, antwortete ich höflich. Doch ich sollte nie herausfinden, was sie sich dabei gedacht hatten, da ich aus der Ferne von der Straße vor dem Haupteingang den Klang von Autohupen vernahm, gefolgt von dem Knirschen von Metall. Und wesentlich näher, tatsächlich direkt in meinem Kopf, zischte eine Stimme:
Dummkopf!
Ohne mich einen Moment mit der Frage aufzuhalten, woher ich wusste, dass es sich bei dem Unfall um Weiss handelte, der Ritas Wagen rammte, sprang ich an den Zaun, zog mich auf die andere Seite und sprintete quer über den Spielplatz.
    »He!«, brüllte der Mann vor dem Schloss, doch dieses eine Mal ließ ich meine Manieren Manieren sein und wartete nicht ab, was er zu sagen hatte.
    Natürlich würde Weiss das Schloss nicht aufbrechen – das musste er gar nicht. Natürlich war er nicht gezwungen, in die Schule zu gelangen und Hunderte von argwöhnischen Lehrern und brutalen Kindern zu übertölpeln. Alles, was er tun musste, war, draußen auf der Straße zu lauern wie ein Hai am Saum eines Riffs, der darauf wartet, dass Nemo herausschwimmt. Natürlich.
    Ich beschleunigte. Das Feld schien ein wenig holprig, doch der Rasen war kurz geschoren und gut gepflegt, so dass ich ein hohes Tempo vorlegen konnte. Ich gratulierte mir soeben zu meiner ausgezeichneten Form, die mir dieses schnelle Tempo ermöglichte, als ich den Blick hob, um mich zu orientieren. Keine gute Idee; beinah unverzüglich verfing sich mein Fuß in irgendetwas, und ich krachte mit geradezu wunderbarer Geschwindigkeit mit dem Gesicht voran zu Boden. Ich rollte mich zu einer Kugel zusammen, und nach einem anderthalbfachen Überschlag blieb ich mit dem Rücken auf einem holprigen Irgendwas liegen. Ich sprang hoch und nahm meinen Spurt wieder auf, ein wenig behindert durch einen verdrehten Knöchel sowie der vagen Vorstellung von einem Ameisenhügel und leicht gedemütigt von meiner Vorstellung als menschliche Kanonenkugel.
    Näher; erschrockene und panische Rufe von der Straße – und dann ein Schmerzensschrei. Ich sah nur ein Durcheinander von Autos und eine Menschenmenge, die sich voranschob, um einen Blick auf etwas in der Straßenmitte zu erhaschen. Ich rannte durch das schmale Tor im Zaun, auf den Bürgersteig und zur Front der Schule. Ich musste mein Tempo drosseln, um mir einen Weg durch die Kinder, Lehrer und Eltern bahnen zu können, die sich an der Abholstelle vor dem Eingang ballten, doch ich schob mich

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