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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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hindurch und hinaus auf die Straße. Die letzten fünfzig Meter begann ich erneut zu rennen, dorthin, wo der Verkehr zum Erliegen gekommen war und um zwei Wagen verschmolz, die sich unordentlich ineinander verkeilt hatten. Der eine war Weiss’ bronzefarbener Honda. Das andere Auto gehörte Rita.
    Von Weiss war nichts zu sehen. Rita lehnte mit schockiertem, benommenem Gesichtsausdruck an der vorderen Stoßstange ihres Wagens und hielt Cody und Astor an den Händen. Als ich sie so gesund und in Sicherheit erblickte, verlangsamte ich meinen Schritt und ging die letzten Meter.
    Sie sah mich mit unveränderter Miene an. »Dexter«, sagte sie. »Was machst du denn hier?«
    »Ich war gerade in der Gegend«, antwortete ich. »Autsch.« Das Autsch war keine reine Gerissenheit; überall auf meinem Rücken bissen hundert Feuerameisen, die ich wohl bei meinem Sturz aufgelesen hatte, wie auf ein telepathisches Signal hin gleichzeitig zu. »Sind alle in Ordnung?«, fragte ich, während ich panisch an meinem Hemd zerrte.
    Ich zog mir das Hemd über den Kopf, nur um ihrem milde besorgten Starren zu begegnen. »Bist
du
in Ordnung?«, erkundigte sich Astor. »Du hast dir nämlich gerade mitten auf der Straße das Hemd ausgezogen.«
    »Feuerameisen«, erklärte ich. »Überall auf meinem Rücken.« Ich schlug mir mit dem Hemd auf den Rücken, was kein bisschen half.
    »Ein Mann hat uns mit seinem Wagen gerammt«, sagte Rita. »Und er hat versucht, die Kinder zu entführen.«
    »Ja, ich weiß«, erwiderte ich, während ich mich auf eine Weise verdrehte, die eine Brezel mit Neid erfüllt hätte, um die Feuerameisen zu erreichen.
    »Wie meinst du das, du weißt es?«, fragte Rita.
    »Er ist entkommen«, sagte eine Stimme hinter uns. »Ist verdammt schnell gerannt, wenn man bedenkt …« Ich drehte mich mitten in einer Ameise um und erblickte einen Streifenpolizisten, der nach seiner offensichtlichen Jagd auf Weiss keuchte. Er war ein ziemlich junger Typ, recht gut in Form, und auf seinem Namensschild stand Lear. Er starrte mich an. »Das ist hier kein FKK -Strand, Freundchen«, sagte er.
    »Feuerameisen«, erklärte ich. »Rita, könntest du mir bitte mal helfen?«
    »Kennen Sie den Kerl?«, fragte der Polizist Rita.
    »Mein Ehemann«, sagte sie, ließ widerstrebend die Hände der Kinder los und begann auf meinen Rücken einzuschlagen.
    »Aha«, meinte Lear. »Nun ja, der Typ ist entkommen. Er ist rüber zur US 1 gerannt, in Richtung der Einkaufszentren. Ich habe den Vorfall gemeldet. Und die Fahndung ist raus, aber …« Er zuckte die Achseln. »Ich muss schon sagen, für einen Typen mit einem Bleistift im Bein ist er verdammt schnell gerannt.«
    »Mein Bleistift«, bemerkte Cody mit seinem seltenen und sehr befremdlichen Lächeln.
    »Und ich hab ihm ganz fest in den Schritt gehauen«, verkündete Astor.
    Durch den roten Schmerzschleier der Ameisenbisse sah ich auf die beiden hinunter. Sie wirkten stolz und selbstgefällig; doch offen gestanden war ich ebenfalls sehr zufrieden mit ihnen. Weiss hatte sein Schlimmstes gegeben – und ihres war ein bisschen schlimmer. Meine kleinen Raubtiere. Es hätte fast gereicht, um mich die Ameisenbisse vergessen zu lassen. Aber nur fast – zumal Rita unterschiedslos auf Bisse und Ameisen eindrosch und mir damit weitere Schmerzen zufügte.
    »Da haben Sie ein paar echte Pfadfinder«, lobte Officer Lear, der Astor und Cody mit einem Ausdruck leicht beunruhigter Zustimmung musterte.
    »Nur Cody«, sagte Astor. »Und er war erst ein Mal da.«
    Officer Lear öffnete den Mund, merkte, dass er nichts zu sagen hatte, und schloss ihn wieder. Stattdessen wandte er sich an mich. »Der Abschleppwagen wird in ein paar Minuten hier sein. Und die Sanitäter möchten gern kurz prüfen, ob wirklich alle in Ordnung sind.«
    »Uns geht’s
gut
«, sagte Astor.
    »Nun«, fuhr Lear fort, »wenn Sie bei Ihrer Familie bleiben möchten, kann ich mich dann vielleicht um den Verkehr kümmern?«
    »Ich denke, das geht in Ordnung«, erwiderte ich. Lear sah Rita an und zog eine Augenbraue hoch. Sie nickte.
    »Ja«, sagte sie. »Natürlich.«
    »Gut. Die Feds werden vermutlich mit Ihnen sprechen wollen. Ich meine, wegen des versuchten Kidnappings.«
    »O Gott«,
stöhnte Rita, als ob diese Bezeichnung den Vorfall erst real werden ließ.
    »Ich glaube, der Kerl war einfach irgendein Verrückter«, bemerkte ich hoffnungsvoll. Immerhin hatte ich schon genug Schwierigkeiten, auch ohne dass das FBI seine Nase in mein

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