Die schöne Kunst des Mordens
Zirpen von sich gab, um uns wissen zu lassen, dass wir angekommen waren. »Und sie weiß nicht, wer ich bin.«
Die Türen glitten auf, doch Chutsky bemerkte es nicht.
»Na ja«, sagte ich in der Hoffnung, ihn aus seiner Erstarrung zu lösen.
Er sah mich an. »Komm, wir holen uns einen Kaffee«, schlug er vor und verließ, sich an drei Menschen in OP -Kitteln vorbeidrängend, den Fahrstuhl. Ich zockelte hinterher.
Chutsky ging mit mir zum Ausgang und hinüber zu dem kleinen Restaurant im Erdgeschoss des Parkhauses, wo es ihm irgendwie gelang, ziemlich schnell zwei Tassen Kaffee zu ergattern, ohne dass jemand ihn schubste oder ihm einen Ellbogen in die Rippen bohrte. Ich empfand ein leichtes Gefühl der Überlegenheit; offensichtlich war er kein Einheimischer. Doch auch das Ergebnis zählt, und ich nahm den Kaffee und setzte mich an einen kleinen, in die Ecke gequetschten Tisch.
Chutsky sah weder mich noch etwas anderes an. Er zuckte mit keiner Wimper, und auch seine Miene veränderte sich nicht.
Mir fiel keine Bemerkung ein, die die Luft wert gewesen wäre, die man dabei verbraucht, weswegen wir in kameradschaftlichem Unbehagen einige Minuten einfach so dasaßen, bis er schließlich herausplatzte: »Was, wenn sie mich nicht mehr liebt?«
Ich bin stets bemüht, eine gewisse Bescheidenheit zu wahren, besonders, wenn es um meine eigenen Talente geht, und ich weiß sehr genau, dass ich nur in ein oder zwei Dingen wirklich gut bin; die Beratung von Liebeskranken gehört mit Sicherheit nicht dazu. Und da ich absolut nichts von Liebe verstehe, schien es ein wenig unfair, von mir zu erwarten, dass ich ihren möglichen Verlust kommentierte.
Ein Kommentar war jedoch ganz offensichtlich erforderlich, und so widerstand ich der Versuchung und statt »Ich habe keinen Schimmer, warum sie sich überhaupt in dich verliebt hat« zu antworten, kramte ich in meinem Beutel voll Klischees und zog ein »Selbstverständlich liebt sie dich. Sie hat nur furchtbare Strapazen hinter sich – sie braucht Zeit, um sich zu erholen« hervor.
Chutsky wartete ein paar Sekunden, ob noch etwas kam, doch das war bereits alles. Er wandte sich ab und trank einen Schluck Kaffee. »Vielleicht hast du recht.«
»Selbstverständlich habe ich das«, beteuerte ich. »Gib ihr Zeit, gesund zu werden. Alles wird gut.«
Da bei meiner Äußerung kein Blitz vom Himmel fuhr, nahm ich an, dass die Möglichkeit bestand.
Wir tranken unseren Kaffee in relativer Stille. Chutsky brütete über der Möglichkeit, nicht länger geliebt zu werden, und Dexter sah ängstlich zu, wie sich die Zeiger der Uhr der Mittagsstunde näherten, dem Zeitpunkt, zu dem ich verschwinden und Weiss auflauern musste. Deshalb war ich nicht ganz so kumpelhaft, als ich schließlich meinen Becher leerte und mich erhob, um zu gehen. »Ich komme später wieder«, verabschiedete ich mich, doch Chutsky nickte nur und trank verloren noch einen Schluck Kaffee.
»In Ordnung, Kumpel«, sagte er. »Bis dann.«
26
D as Viertel Golden Lakes verstößt gegen sämtliche geheiligten Regeln der Makler Miamis: Obwohl es den Begriff Lakes im Namen führt, finden sich in der Nachbarschaft mehrere Seen, und einer davon grenzt an das Ende des Spielplatzes. Eigentlich wirkte er auf mich nicht sonderlich golden, eher milchig grün, doch war nicht zu leugnen, dass es sich tatsächlich um einen See handelte, zumindest um einen großen Teich. Nun leuchtete mir durchaus ein, wie schwierig es wäre, ein Grundstück namens »Milchiggrüner Teich« zu verkaufen, deshalb wusste die Erschließungsgesellschaft vermutlich, was sie tat, obgleich sie damit gegen die guten Sitten verstieß.
Ich traf einige Zeit vor Schulschluss an der Grundschule von Golden Lakes ein und fuhr einige Male um das Gelände, um nach Weiss’ möglichem Versteck Ausschau zu halten. Es gab keines. Die östliche Straße endete am Zaun, direkt am Ufer des Sees. Der Maschendrahtzaun führte einmal lückenlos um das Schulgelände, selbst am Seeufer entlang, gewiss für den Fall, dass ein feindlich gesinnter Frosch versuchte, das Gebiet zu erobern. Nahe der Stelle, an der die Nebenstraße am See endete, am anderen Ende des Spielplatzes, befand sich ein Tor, doch war es mit einer Kette und einem großen Vorhangschloss gesichert.
Abgesehen davon führte der einzige Weg zur Schule durch das Haupttor vor dem Eingang, und hier stand ein Wachhäuschen, neben dem ein Streifenwagen parkte. Sollte man versuchen, während des Unterrichts auf das
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