Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
Vom Netzwerk:
selbst für tote Körper.
    Um schonungslos offen zu sein: Auch die Bilder von mir hätte jeder halbwegs talentierte Schüler zustande gebracht. Sie mochten in großem Maßstab auf die Front des Breakers Hotel projiziert werden, doch sie konnten sich mit nichts von dem messen, was ich in Paris gesehen hatte, nicht einmal mit dem Zeug in den kleinen Galerien. Selbstverständlich gab es noch dieses letzte Stück, »Jennifers Bein«. Auch dafür waren Amateurvideos genutzt worden – doch das Ziel war die Reaktion des Publikums gewesen, nicht …
    Einen Moment lang herrschte absolutes Schweigen in Dexters Hirn, ein Schweigen, so drückend, dass es alles andere erstickte.
    Aber dann wälzte es sich zur Seite und gab einen kleinen, plappernden Gedanken-Affen frei.
    Publikumsreaktion.
    War man ausschließlich an der Reaktion interessiert, kam es nicht so sehr auf die Qualität der Arbeit an, solange sie Entsetzen auslöste. Und man konnte alles arrangieren, um diese Reaktion zu erzielen – zum Beispiel auf Video. Vielleicht verfügte man über die Dienste eines Videoproduzenten – jemanden wie Kenneth Wimble zum Beispiel, dessen Haus Weiss in die Luft gesprengt hatte. Es war wesentlich sinnvoller, Wimble als einen von ihnen zu betrachten denn als zufälliges Opfer.
    Als Weiss den Sprung zu Mord gewagt hatte, statt weiterhin Leichen zum Spielen zu stehlen, war Wimble möglicherweise ein bisschen zimperlich geworden, und Weiss hatte ihn gemeinsam mit seinem Haus in die Luft gejagt, während er gleichzeitig versuchte, mich unwiederbringlich aus dem Spiel zu nehmen.
    Weiss drehte jedoch nach wie vor Videos, auch ohne seinen Experten. Denn das war es, woran ihm lag. Es verlangte ihn nach Bildern der Menschen, die sahen, was er getan hatte. Der Drang zu töten beherrschte ihn immer stärker – Ausdruck dessen waren der Pfadfinder, Wimble und der Anschlag auf mich. Aber das Video war es, das zählte. Und er würde fröhlich weitermorden, um es zu bekommen.
    Kein Wunder, dass der Dunkle Passagier verwirrt gewesen war. Unsere Kunst war sehr zupackend und die Ergebnisse äußerst vertraulich. Weiss war anders. Er mochte an mir Rache üben wollen, doch wäre er auch damit zufrieden, sie indirekt zu nehmen, etwas, was der Passagier und ich niemals in Betracht ziehen würden. Für Weiss war die Kunst von Bedeutung. Er brauchte seine Bilder.
    Ich betrachtete die letzte große, farbenprächtige Darstellung von
mir,
projiziert auf das Breakers Hotel. Das Bild war sauber gezeichnet, und die Grundstrukturen des Gebäudes waren deutlich zu erkennen. Die Vorderseite war U-förmig gebaut, der Haupteingang in der Mitte, zwei Flügel, die sich nach vorn erstreckten. Eine lange schmale Straße führte auf den Eingang zu, gesäumt von prächtigen Palmen, ein perfekter Versammlungsort für Gaffer, um von dort voller Grauen zu starren. Weiss würde mit seiner Kamera irgendwo in der Menge stehen und die Gesichter filmen. Doch während ich das Bild betrachtete, wurde mir klar, dass er viel eher ein Zimmer in einem der Flügel nehmen würde, von dem aus er freien Blick auf die Fassade hatte, auf die das Bild projiziert wurde, um dort eine Kamera zu installieren, ähnlich wie die versteckte Kamera, die er schon einmal genutzt hatte, diesmal aber mit einer superscharfen Linse, um die Gesichter der Zuschauer einzufangen.
    Der Trick bestand darin, ihn zu fassen, ehe er die Sache ins Rollen brachte – bei seiner Ankunft im Hotel. Dazu musste ich nur herausfinden, wann er eincheckte. Das wäre ganz einfach, so ich nur Zugang zur Hoteldatenbank hätte – was nicht der Fall war – oder eine Möglichkeit fände, dort einzudringen – was ich nicht konnte. Doch während ich darüber nachdachte, wurde mir etwas bewusst.
    Ich kannte jemanden, der dazu fähig war.

29
    K yle Chutsky saß mir gegenüber an demselben kleinen Ecktisch in dem Imbiss im Erdgeschoss des zum Krankenhaus gehörenden Parkhauses. Obwohl er, wie ich annahm, das Gelände seit Tagen nicht verlassen hatte, war er glatt rasiert und trug ein scheinbar sauberes Hemd. Er sah mich über den Tisch hinweg mit einem amüsierten Lächeln an, das seine Mundwinkel hob und die Fältchen um seine Augen vertiefte, sein Blick jedoch blieb kalt und wachsam.
    »Witzig«, sagte er. »Du willst, dass ich dir helfe, dich in die Datenbank dieses Hotels, des Breakers, zu hacken? Ha.« Er lachte kurz und wenig überzeugend. »Warum glaubst du, dass ich dir dabei helfen kann?«
    Unglücklicherweise war

Weitere Kostenlose Bücher