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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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Blick, vor aller Augen, wie der böse Zwilling der Cheshire-Katze.
    Das Interesse des FBI hatte jedoch wenig zu Ritas Wohlbefinden beigetragen. Sie klammerte sich nach wie vor an die Kinder und sprach in wirren Halbsätzen. Deshalb beruhigte ich sie, so gut ich es vermochte, und eine Zeitlang saßen wir alle zusammen auf der Couch, bis Cody und Astor sich zu heftig wanden, als dass es noch bequem gewesen wäre. Rita gab auf, legte eine DVD für sie ein und ging in die Küche, wo sie mit ihrer alternativen Beruhigungstherapie begann, dem Klappern mit Töpfen und Pfannen. Ich ging den Flur hinunter in den kleinen Raum, den sie als »Dexters Büro« bezeichnete, um mir noch einmal Weiss’ Skizzenblock anzusehen und dunkle Gedanken zu hegen.
    Die Liste der Personen, die als wenig wohlwollend betrachtet werden mussten, wuchs kontinuierlich: Doakes, Coulter, Salguero;
     und nun das FBI .
    Und natürlich Weiss. Er war immer noch dort draußen, und er wollte nach wie vor Rache an mir nehmen. Würde er wieder Jagd auf die Kinder machen, aus den Schatten hinken und sie packen, dieses Mal vielleicht mit Kevlar-Hose und Hodenschutz? Falls ja, musste ich bei den Kindern bleiben, bis alles vorüber war; nicht gerade die beste Methode, ihn zu erwischen – insbesondere dann nicht, wenn er etwas anderes versuchte. Und falls er mich töten wollte, würde meine Gegenwart Astor und Cody gefährden; wie man aus seinem Trick mit dem explodierenden Haus schließen konnte, interessierten ihn Kollateralschäden herzlich wenig.
    Mich schon – zwangsläufig. Ich hatte Angst um die Kinder, und sie zu beschützen hatte oberste Priorität. Es war eine befremdliche Offenbarung, als mir aufging, dass mir ihre Sicherheit ebenso wichtig war wie der Schutz meiner geheimen Identität. Es passte nicht zu dem Bild, das ich von mir hatte, zu meinem sorgsam aufgebauten Selbstverständnis. Gewiss, ich hatte stets besonderes Vergnügen daran gefunden, Raubtiere aufzuspüren, die sich an Kindern vergingen, doch hatte ich nie wirklich über die Gründe nachgedacht. Natürlich hatte ich vor, meine Pflicht gegenüber Cody und Astor zu erfüllen, sowohl als ihr Stiefvater als auch – und das war weit wichtiger – als ihr Führer auf dem Harry-Pfad. Doch mich selbst dabei zu beobachten, wie ich bei dem Gedanken, dass ihnen jemand etwas antun könnte, in gluckenhafte Aufregung verfiel, war neu und irgendwie beunruhigend.
    Deshalb war es auf nagelneue Weise so wichtig, Weiss aufzuhalten. Ich war jetzt Daddy Dexter, und ich musste es genauso um der Kinder wie um meiner selbst willen tun, und bei der Vorstellung, jemand könnte sie verletzen, spürte ich eine Welle von etwas, was gefährlich nah an Emotionen grenzte.
    Also gut, ich musste herausfinden, was Weiss als Nächstes vorhatte, und versuchen, ihn daran zu hindern, ehe er es durchziehen konnte. Ich griff nach seinem Skizzenblock und blätterte ein weiteres Mal die Zeichnungen durch, vielleicht, weil ich im Unterbewusstsein hoffte, dass mir beim ersten Mal etwas entgangen war – eine Adresse, an der ich ihn finden konnte, oder sogar ein Abschiedsbrief. Doch die Seiten waren unverändert, und ehrlich gesagt hatte sich der Reiz des Neuen abgenutzt, und ich empfand keine echte Freude mehr an meinen Porträts. Ich war noch nie besonders daran interessiert gewesen, mich selbst zu betrachten, und eine Reihe von Bildern anzuschauen, die mich der Welt im Großen und Ganzen als denjenigen zeigen sollten, der ich war, raubte der Sache jegliches unschuldige Vergnügen.
    Und – Höhepunkt der Ungerechtigkeiten – es schien auch noch zu nichts zu führen, zumindest zu nichts, das den ganzen Ärger, der mir erwachsen war, gerechtfertigt hätte. Ich nehme an, ich hätte selbst die Mona Lisa abgelehnt, wenn sie mein Gesicht getragen hätte. Und hier handelte es sich mitnichten um die Mona Lisa. Die Zeichnungen schienen müßig hingeworfen, die auf dem letzten Blatt völlig seelenlos.
    Gewiss, es ging darum, mich bloßzustellen, nicht, ein großes Kunstwerk zu schaffen – oder etwa doch? Ich zauderte und studierte einige der Detailbilder, die die übrigen Elemente der Ausstellung zeigten. Es mag egozentrisch klingen, wenn ich das sage, da sie schließlich mit den Bildern von mir konkurrierten, doch sie waren wirklich nicht sonderlich interessant. Man konnte sie eventuell als handwerklich gut gemacht bezeichnen, doch nicht mehr. Ihnen mangelte es an jeglicher Originalität, und sie schienen ziemlich leblos –

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