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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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verkalkuliert.
    Zurück blieb ein riesiges Fragezeichen: Wer war Chutsky wirklich, und wie brachte ich ihn dazu, mir zu helfen? Benötigte ich eine ausgeklügelte Kriegslist, um ihm meinen Willen aufzuzwingen, oder musste ich auf eine gewisse Form der beispiellos unbequemen und unaussprechlichen Wahrheit zurückgreifen? Allein der Gedanke daran, aufrichtig zu handeln, ließ mich wie Espenlaub zittern – es verstieß gegen alles, wofür ich je gestanden hatte. Doch ich sah keinen Ausweg; ich musste zumindest in geringfügigem Ausmaß mit der Wahrheit herausrücken.
    »Wenn ich zu Hause bleibe«, sagte ich, »wird er mir furchtbare Dinge antun. Und den Kindern vielleicht auch.«
    Chutsky starrte mich an, dann schüttelte er den Kopf. »Als es noch so klang, als wolltest du dich rächen, fand ich dich sehr viel überzeugender. Wie kann er dir etwas antun, wenn du zu Hause bist und er im Hotel?«
    Ab einem gewissen Punkt muss man sich eingestehen, dass es Tage gibt, an denen man nicht in Bestform ist, und dies war einer davon. Zwar redete ich mir ein, dass ich höchstwahrscheinlich noch an den Folgen der Gehirnerschütterung litt, doch mein inneres Selbst erwiderte sofort, dass dies im besten Fall eine jämmerliche und mittlerweile überbeanspruchte Entschuldigung war. Mit mehr Selbstverdruss, als ich seit geraumer Zeit verspürt hatte, zog ich den Skizzenblock hervor, den ich aus Weiss’ Auto entwendet hatte, und schlug ihn auf bei der farbenprächtigen Zeichnung von Dexter, dem Dominator auf der Fassade des Breakers Hotel.
    »So zum Beispiel«, sagte ich. »Wenn er mich nicht umbringen kann, wird er dafür sorgen, dass ich wegen Mordes verhaftet werde.«
    Chutsky studierte einen langen Moment das Bild, dann stieß er einen leisen Pfiff aus. »Junge, Junge«, bemerkte er. »Und die Dinger hier unten auf dem Boden …?«
    »Leichen. So arrangiert wie diejenigen, wegen denen Deborah ermittelte, als der Typ sie niedergestochen hat.«
    »Warum sollte er das tun?«
    »Es ist eine Art Kunstwerk«, sagte ich. »Ich meine, er hält es dafür.«
    »Schon, aber warum sollte er das mit
dir
machen, Kumpel?«
    »Wegen des Mannes, den man verhaftet hat, als Deborah niedergestochen wurde. Den ich so heftig gegen den Kopf getreten habe. Das war sein Liebhaber.«
    »War?«, hakte Chutsky nach. »Und wo ist er jetzt?«
    Ich habe nie begriffen, warum man sich selbst verstümmeln sollte, schließlich erledigt das Leben diese Aufgabe, und zwar recht gut. Doch wenn ich das Wörtchen »war« hätte zurücknehmen können, indem ich mir fest auf die Zunge biss, hätte ich es mit Freuden getan. Ich hatte es jedoch gesagt, und nun saß ich in der Falle und zappelte darin, während ich verzweifelt nach einem Restbestand meiner ehedem so blitzenden Geistesgegenwart fahndete. Endlich erhaschte ich ein Stück und kam damit heraus: »Er hat gegen die Bewährungsauflagen verstoßen und ist verschwunden.«
    »Und dieser Typ gibt dir die Schuld daran, dass sein Liebhaber durchgebrannt ist?«
    »Sieht so aus.«
    Chutsky sah mich an und betrachtete dann wieder die Zeichnung.
    »Hör mal, Kumpel«, begann er. »Du kennst diesen Mann, und ich weiß, dass du dich auf deinen Instinkt verlässt. Ich habe das auch immer getan, und neun von zehn Mal hat es funktioniert. Aber das hier, ich weiß nicht.« Er zuckte die Achseln. »Irgendwie alles ziemlich dünn, findest du nicht?« Er tippte auf das Bild. »Mit einer Sache liegst du allerdings richtig. Falls er das durchziehen will, brauchst du wahrhaftig meine Hilfe. Und zwar wesentlich dringender, als dir bewusst ist.«
    »Wie meinst du das?«
    Chutsky schlug mit dem Handrücken gegen das Bild. »Dieses Hotel ist nicht das Breakers. Das ist das Hotel Nacional in Havanna.« Mit einem Blick auf Dexters höchst unattraktiv herabhängenden Kiefer fügte er hinzu: »Du weißt schon, Havanna auf Kuba.«
    »Aber das ist ausgeschlossen«, protestierte ich. »Ich war doch schon dort. Das ist das Breakers.«
    Er lächelte mich an, in dieser aufreizenden, überlegenen Weise, die ich gern einmal ausprobieren würde, wenn ich nicht im Tarnanzug unterwegs bin. »Du hast in Geschichte nicht aufgepasst, oder?«, fragte er.
    »Ich glaube, das Kapitel haben wir übersprungen. Wovon redest du überhaupt?«
    »Die Hotels Nacional und das Breakers wurden nach demselben Bauplan errichtet, um Geld zu sparen«, erklärte er. »Sie sind praktisch identisch.«
    »Und warum bist du dann so sicher, dass es nicht das Breakers

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