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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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seine Frage berechtigt. Tatsächlich
wusste
ich keineswegs, dass er mir helfen konnte, zumindest nicht auf Grundlage dessen, was er jemals gesagt oder getan hatte. Doch das wenige, was ich über Kyle Chutsky wusste, wies darauf hin, dass er ein hoch geachtetes Mitglied der Schattenregierung war, dieses bewusst nicht überwachten und losgelösten Clans von Leuten, die für verschiedene Kürzel-Organisationen arbeiten, die mehr oder weniger der Bundesregierung unterstellt sind – und sehr selten auch einander. Und als solches würde er mit Sicherheit über jede Menge Möglichkeiten verfügen, herauszufinden, wann Weiss im Hotel eincheckte.
    Dennoch gab es da ein kleines protokollarisches Problem: Ich durfte nichts wissen, und er durfte nichts zugeben. Um das zu lösen, musste ich ihn mit etwas so Dringlichem beeindrucken, dass er sein instinktives Widerstreben überwand. Nun kann ich mir nichts Dringlicheres vorstellen als den drohenden Untergang des schneidigen Dexter, doch irgendwie glaubte ich nicht, dass Chutsky meine Selbsteinschätzung teilte. Vermutlich legte er mehr Wert auf läppische Kleinigkeiten wie nationale Sicherheit, Weltfrieden und sein persönliches, relativ bedeutungsloses Wohl und Wehe.
    Doch mir war aufgefallen, dass er sehr großen Wert auf meine Schwester legte, und dies eröffnete zumindest eine potenzielle Möglichkeit. Weshalb ich in meiner besten vorgetäuschten männlichen Direktheit sagte: »Kyle – es geht um den Typen, der Deborah niedergestochen hat.« In jeder Szene jeder beliebigen Macho-Serie, die ich jemals gesehen hatte, wäre das mehr als ausreichend gewesen, doch offensichtlich sah Chutsky nicht besonders oft Fernsehen. Er zog eine Augenbraue hoch und bemerkte: »Und?«
    »Und?«, wiederholte ich bestürzt, während ich versuchte, mich an ein paar weitere Einzelheiten aus den Serien zu erinnern. »Er ist dort draußen, und er, äh, kommt damit davon. Er, äh, könnte es wieder tun.«
    Diesmal zog er beide Brauen hoch. »Du glaubst, er könnte Deborah noch einmal niederstechen?«
    Das lief absolut nicht gut, nicht im Mindesten so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich hatte angenommen, dass eine Art Mann-der-Tat-Code greifen würde und ich nur noch das Ziel der Tat nennen und meinen Eifer bekunden müsste, mich daraufzustürzen, und Chutsky würde ebenso eifrig aufspringen und mit mir zusammen den Pork Chop Hill stürmen. Stattdessen blickte Chutsky mich an, als hätte ich ihm eine Darmspülung vorgeschlagen.
    »Wieso nur willst du dir den Typen nicht greifen?«, fragte ich und ließ ein wenig peinliche Verzweiflung in meinen Ton einfließen.
    »Das ist nicht meine Aufgabe«, erklärte er. »Und deine auch nicht, Dexter. Wenn du glaubst, dass der Typ in dieses Hotel einchecken wird, erzähl es der Polizei. Sie hat genug Leute, um es zu überwachen und ihn zu fassen. Du hast nur dich, Kumpel – versteh mich bitte nicht falsch, aber das könnte ein bisschen gröber werden, als du es gewohnt bist.«
    »Die Polizei wird fragen, woher ich das weiß«, erwiderte ich und bedauerte es umgehend.
    Und genauso schnell hakte Chutsky ein. »Okay. Und
woher
weißt du es?«
    Manchmal kommt der Punkt, an dem sogar Dexter, der Arglistige, ein oder zwei Karten auf den Tisch legen muss, und offensichtlich war er nun eingetreten. Und so warf ich meine angeborenen Hemmungen über Bord. »Er verfolgt mich.«
    Chutsky zwinkerte. »Was soll das heißen?«
    »Ich will damit sagen, dass er mich tot sehen will. Er hat es bereits zweimal versucht.«
    »Und du glaubst, er wird es noch mal versuchen? In diesem Hotel, dem Breakers?«
    »Ja.«
    »Warum bleibst du dann nicht einfach zu Hause?«
    Meine Feststellung, dass ich nicht daran gewöhnt bin, Intelligenz bei einem Gespräch nur auf der Gegenseite vorzufinden, ist wahrhaftig nicht arrogant. Dennoch war es eindeutig Chutsky, der bei diesem Tanz führte, und Dexter hing mehrere Takte zurück, humpelte auf zwei linken Füßen dahin, während ihm an Zehen und Fersen Blasen sprossen. Bevor ich mich in dieses Gespräch stürzte, hatte ich mir Chutsky als echten Faustkämpfer vorgestellt, auch wenn eine seiner Fäuste mittlerweile ein Stahlhaken war – doch auf jeden Fall als kampflustigen, überdrehten, Scheiß-auf-die-Torpedos-Kerl, der sich auf den leisesten Wink in die Schlacht stürzte, zumal wenn es darum ging, seinen Stahlhaken in den Mann zu bohren, der seine große Liebe, meine Schwester, niedergestochen hatte. Ich hatte mich eindeutig

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