Die schoene Luegnerin
bedruckt war, beklebt. Auf dem Boden lagen Teppiche, es gab neue Möbel, und der Tisch war mit einem Tischtuch und hübschen Porzellantellern gedeckt.
»Es ist ein Märchenschloß«, hauchte Dallas, und Josh zuckte zusammen. Das Kind war noch so klein, daß es sich nicht mehr daran erinnerte, daß sie nicht immer in dieser Bruchbude gelebt hatten. Und es wußte auch nicht mehr, daß die Mahlzeiten früher üppiger gewesen waren. Dallas konnte sich nicht mehr daran erinnern, daß ihr Vater einmal glücklicher und Lilles andere als ein Außenseiter gewesen war und ihr alles, was sie brauchte, hatte bieten können.
Als Josh seinen Sohn ansah, merkte er, daß Tem ebenso beeindruckt von all den neuen Dingen war, und er wurde ärgerlich, weil er nicht derjenige gewesen war, der den Kindern diese alltäglichen Dinge wie gutes Essen und ein hübsches, gepflegtes Heim möglich gemacht hatte. Statt dessen war eine reiche hohlköpfige Person mit dem Vorsatz, die arme Familie aus den Bergen mit Wohltätigkeiten zu überschütten, in ihr Leben getreten. Sie war bestimmt sehr zufrieden mit sich, weil sie die gute Fee, wie Dallas sie nannte, spielen konnte. Wenn Carrie abreiste, konnte sie sich immerhin rühmen, ein gutes Werk vollbracht und eine armselige Familie für eine Woche glücklich gemacht zu haben. Auf diese Weise brauchte sie kein schlechtes Gewissen zu haben, wenn sie sie wieder verließ, und alle Schuldgefühle waren ausgelöscht, denn sie wußte ja, daß sie für die armen Geschöpfe so viel getan hatte. Aber Josh hatte dann die Pflicht, seine Kinder zu trösten, wenn sie ihr nachtrauerten und weinten, weil sie sie verlassen hatte.
Er warf einen Blick auf die geschlossene Schlafzimmertür, preßte die Lippen zusammen und drehte den Türknauf. In dem Augenblick, in dem er die Tür aufgerissen hatte, verflog sein Ärger — die kleine Wohltäterin saß in der Badewanne, bis zum Hals mit duftendem Schaum bedeckt. Ihr Gesicht war von dem heißen Wasser gerötet, und ihr langes Haar hatte sie sich lose auf dem Kopf festgesteckt, so daß sich die Locken wild um ihr Gesicht kräuselten. Ihre Brüste schimmerten hell und rein in dem Badeschaum, der kaum verhüllte. Josh rührte sich nicht von der Stelle und brachte kein Wort heraus.
»Guten Abend«, sagte Carrie lächelnd und schob eine Locke aus ihrem Gesicht. Wieder lag dieser sehnsüchtige Ausdruck in seinen Augen, und es tat so gut, einmal nicht seine hochmütige oder wütende Miene sehen zu müssen. »Hatten Sie und die Kinder einen schönen Tag? « fragte sie, als säßen sie im Wohnzimmer bei einer Tasse Tee. Carrie registrierte, daß Joshs abgetragene Arbeitskleidung schmutzig war, und dachte daran, wie gut ihm der Anzug im Vergleich zu diesen Lumpen gestanden hatte. Manche Männer sahen in Drillichhose und Baumwollhemd gut aus, aber zu Josh paßten sie nicht, und er sah eher so aus, als hätte er sich verkleidet, um ein anderer zu sein.
Während Josh noch darum kämpfte, die Kontrolle über sich zurückzugewinnen, wurde ihm klar, daß sein Leben ganz anders verlief, als es sollte. Schon lange hatte ihn keine Frau mehr in ihrer Badewanne begrüßt, und er war nicht mehr so frei und ungezwungen, mit einer solchen Frau zu tun, was er sich wünschte. Jetzt war er ein ernster Mann, der Verantwortung trug — ein Vater —, und er mußte sich mit ernsthafteren Dingen befassen. Er durfte nicht das tun, was er in diesem Augenblick am liebsten getan hätte, nämlich die Tür zu schließen und zu dieser verführerischen, zauberhaften Frau in das schaumige Wasser klettern.
Er straffte seine Schultern. »Ich würde gern mit Ihnen reden«, verkündete er, so streng es ihm möglich war. In diesem Moment fiel ihr eine feuchte Locke über ein Auge, und Carrie versuchte, sie mit einer seifigen Hand wegzustreichen. Sie wird Seife ins Auge bekommen, dachte Josh, man müßte ihr helfen.
Dallas stürmte ins Schlafzimmer und blieb verwundert stehen. Auch hier waren Tapeten an den Wänden, und ein neues Messingbett mit weichen Daunendecken stand unter dem kleinen Fenster. »Es ist wunderschön«, schwärmte Dallas.
Carrie lächelte. »Ich bin so froh, daß es dir gefällt, aber ich fürchte, dein Vater ist nicht damit einverstanden. «
Dallas betrachtete ihren Vater ungläubig. »Aber es ist doch wirklich wunderbar«, rief sie mit tränenerstickter Stimme. »Dürfen wir das alles behalten? «
Josh nahm seine Tochter in die Arme. »Natürlich werden wir es behalten. Wir können ja
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