Die schoene Luegnerin
könnten.
Ergebenst
Ihr
Joshua Greene
Nachdem sie den Brief zu Ende gelesen hatte, nahm Carrie den anderen Zettel in die Hand. Ihr Mund blieb offen stehen, als sie die ellenlange Liste betrachtete. Fünf Frauen hätten all diese Dinge nicht in sechs Wochen erledigen können.
Sie lehnte sich zurück, und ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. »Du willst also darüber nachdenken, ob ich deinen Kindern eine gute Mutter sein kann«, zischte sie leise. »Kein Wort davon, daß ich deine Frau sein könnte, nur eine Mutter! «
Sie schmiß die beiden Zettel auf den Tisch und kraulte Choo-choos Kopf. »Es ist genau wie in >Rumpelstilzchen<. König Joshua stellt unlösbare Aufgaben
wie der König im Märchen, der einen Raum mit Stroh gefüllt und dem Mädchen befohlen hatte, Gold daraus zu spinnen. Nur wenn das Mädchen diese Aufgabe erfüllte, würde sie die Frau des Königs werden, und ich werde, wenn ich mich bewähre, die Mutter der Königskinder. «
Carrie sah sich um. Es war kaum zu glauben, aber der Raum wirkte bei Tageslicht noch verwahrloster als im gnädigen Schein einer Kerze. »Ich frage mich wirklich, was sie zum Frühstück gegessen haben. Erbsen? « Carrie schüttelte sich angewidert, stand auf und setzte Choo-choo auf den Boden. »Sollen wir uns aufmachen und unser Rumpelstilzchen suchen? « fragte sie den Hund. »Wir brauchen auch jemanden, der uns dabei hilft, die Aufgaben, die uns der König gestellt hat, zu bewältigen. «
*
Als Mrs. Joshua Greene, geborene Montgomery, eine Stunde später auf Joshs altem Ackergaul durch die Straße von Eternity ritt, trug sie das hübscheste Kostüm, das man westlich vom Mississippi je gesehen hatte. Die kleine Stadt war bei ihrem Anblick wie gelähmt, und alle Einwohner hielten, als sie vorbeikam, mitten in ihren Tätigkeiten inne und starrten dieses zauberhafte Wesen ungläubig an. Ihr Kostüm war dunkelrot und mit schwarzem Samt abgesetzt, und sie trug ein kleines Hütchen mit Schleier, den sie keck über ein Auge gezogen hatte.
»Guten Morgen«, grüßte Carrie jede Person, an der sie vorbeikam. »Guten Morgen. «
Die Leute nickten sprachlos und waren unfähig,
sich zu rühren, als diese atemberaubende modische Erscheinung an ihnen vorbeiritt.
Carrie zügelte den armen alten Gaul vor dem einzigen Laden von Eternity, und der Kaufmann, der gerade die Veranda fegte, riß Mund und Augen auf und starrte sie reglos an. Carrie nickte ihm zu, wünschte ihm einen guten Morgen und betrat das kühle, abgedunkelte Geschäft.
Als der Kaufmann seine Fassung zurückgewann, lehnte er den Besen an die Wand, strich sein Hemd glatt und ging ebenfalls in den Laden.
Carrie hatte es sich inzwischen auf einem Stuhl in der Nähe der hölzernen Verkaufstheke bequem gemacht und streifte ihre Handschuhe ab.
»Was kann ich für Sie tun, Miss... «
»Mrs. Greene«, half sie ihm selbstbewußt. »Mrs. Joshua Greene. «
»Ich wußte gar nicht, daß Josh geheiratet hat. Hiram hat mir kein Wort davon erzählt. «
Schon zum zweitenmal hörte Carrie diesen Namen. Sie hatte keine Ahnung, wer Hiram sein sollte, aber das würde sie den Mann nicht wissen lassen. »Es ging alles sehr schnell«, erklärte sie geziert und gab sich alle Mühe, den Eindruck zu erwecken, daß Josh und sie so von der Liebe überwältigt worden waren, daß sie sich sofort verheiratet hatten.
»Ich verstehe«, erwiderte der Kaufmann. »Womit kann ich Ihnen dienen? «
Während dieser kurzen Unterhaltung hatte sich fast die Hälfte der Stadtbewohner entschlossen, einige Einkäufe zu tätigen, und die Menschen drückten sich so leise wie möglich durch die offene Ladentür. Sie stellten sich an der gegenüberliegenden
Wand auf und betrachteten Carrie, als hätten sie eine Zirkusprinzessin vor sich.
»Ich würde gern einiges erledigen«, sagte Carrie.
Josh meinte, daß sie nichts zustande brachte, weil sie nicht wußte, wie man Geschirr abwusch oder Dosen öffnete, aber eine Begabung hatte sie zweifellos: Sie konnte das Geld so ausgeben, daß sie auch wirklich das, was sie wollte, dafür erhielt. Manche Menschen verschleuderten ihr Vermögen, weil sie sich nicht genau überlegten, in welche Dinge sie investieren sollten — sie heuerten beispielsweise unfähige Leute an oder kauften wertlosen Plunder statt Kunstgegenstände.
Nun, Carrie wußte genau, wie sie ihr Geld anlegen mußte und daß sie möglichst viel dafür fordern konnte. In Warbrooke erzählte man sich, daß man für jeden Montgomery arbeiten konnte,
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