Die schoene Luegnerin
konnte. Dallas hatte gehört, wie ihr Vater vor sich hin gemurmelt hatte, daß die Idee, Carrie könnte irgend etwas kochen, ziemlich lustig sei, aber komischerweise hatte er dabei nicht gelacht.
»Ich weiß nicht«, sagte Tem, aber er hatte eine vage Ahnung, »ich glaube, ein Mann schenkt einer Frau Blumen, und dann halten sie sich an den Händen und heiraten. Ich weiß nicht, was sonst noch geschieht. «
»Könnten wir nicht jemanden fragen? Tante Alice vielleicht? «
»Ich denke, daß Onkel Hiram darüber nicht Bescheid weiß«, überlegte Tem laut, und Dallas nickte. Es war wirklich nicht einfach, an Onkel Hiram und an Liebe gleichzeitig zu denken.
Tem stand auf und zog seine schmutzige Arbeitskleidung an, ehe er Dallas half, in ihr einfaches, abgetragenes braunes Kleid zu schlüpfen. Dann stiegen beide die Leiter hinunter.
Die Kinder bemühten sich, nicht im Weg zu stehen, während Carrie und ihr Vater das Frühstück zubereiteten. Tem wußte, daß Dallas noch zu klein war, um zu begreifen, was da vor sich ging, noch dazu war sie viel zu sehr damit beschäftigt, das Rosenmuster auf der Tapete zu bestaunen, aber Tem war sich nur allzu bewußt, was sich zwischen Carrie und seinem Vater abspielte.
Josh und Carrie benahmen sich wie Hund und Katze. Josh behauptete, daß Carrie nicht kochen könne, und beschuldigte sie, zu nichts anderem nütze zu sein, als für das Geld ihres Vaters einen teuren Herd zu kaufen. Und Carrie erwiderte spitz, daß er ihr ja beibringen könne, wie man kocht.
Tem stöhnte insgeheim — nach allem, was er bis jetzt hatte essen müssen, wußte er, daß sein Vater der schlechteste Koch der Welt war. Wenn sich die Frauen der Stadt und speziell Tante Alice ihrer nicht erbarmt hätten, weil die Kinder von Tag zu Tag dünner wurden, wären sie sicher schon längst verhungert. Einmal hatte Josh Eier in einen Topf getan, um sie zu kochen, dann war ihm eingefallen, daß er die Pferde füttern mußte, und als er wieder ins Haus gekommen war, hatte er feststellen müssen, daß er die Eier zerbrochen hatte, als er sie unsanft ins Wasser geschmissen hatte. An diesem Tag hatte es weißes verwässertes Eiweiß zum Frühstück gegeben.
Und jetzt fragte Carrie allen Ernstes, ob Josh ihr das Kochen beibringen konnte. Tem erwartete eigentlich, daß sein Vater Carrie beichten würde, daß er selbst nicht mehr über das Kochen wußte als sie, aber er verschwieg ihr die Wahrheit und erklärte statt dessen in barschem Ton, daß er sie nicht fragen würde, wie man Farmarbeit erledigte, also hätte sie ihn auch nicht um Anweisungen, wie sie ihre Pflichten erfüllen solle, zu bitten. Josh fügte noch hinzu, daß sie in ihrem Brief schließlich behauptet hätte, perfekt kochen zu können. Er drohte sogar damit, eine Ziege mit nach Hause zu bringen, damit Carrie sie schlachten und alles andere tun könne, um sie zu braten. Tem wußte ganz genau, daß sein Vater selbst nicht die geringste Ahnung hatte, was man mit einer Ziege tun mußte, bis man sie als Braten auf den Tisch bringen konnte, aber seine Stimme klang eher so, als wäre er allwissend. Carrie wurde wütend und beschimpfte Josh, und zum Schluß behauptete sie sogar, daß sie froh wäre, wenn sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekäme, aber Josh ließ sich davon nicht beeindrucken. Er trieb den Streit noch auf die Spitze, als er ankündigte, ein paar Kaninchen zu kaufen, die seine Frau dann zubereiten solle.
Zu guter Letzt gab es Hafergrütze und Eier mit gebratenem Speck zum Frühstück. Die Hafergrütze war nicht ganz gar und schmeckte fürchterlich. Der Speck war ein wenig verbrannt, und die Eidotter waren so hart wie Steine.
Beide Kinder saßen am Tisch und stocherten in ihrem Essen herum, während Josh Carrie bis ins kleinste Detail erklärte, was an dem Frühstück alles falsch war. Schließlich wies er sie darauf hin, daß die Kinder so etwas unmöglich essen konnten. Bei diesem Satz gab Tem seiner Schwester einen heimlichen Tritt unter dem Tisch, und beide Kinder fielen über ihr Frühstück her, als würden sie vor Hunger sterben und hätten in ihrem ganzen Leben nie etwas Köstlicheres vorgesetzt bekommen. Als Dallas sich über die Hafergrütze beschweren wollte, streute Tem drei Löffel Zucker auf ihren Teller, und das brachte sie zum Schweigen.
Nach dem Frühstück, das Tem gräßlich lang erschienen war, nahm Josh seinen Hut und forderte die Kinder auf, sich für die Feldarbeit bereit zu machen. Dallas zog ein langes Gesicht und sagte, daß
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