Die schöne Mätresse
diese Neuigkeit mitteilen?
Evan wusste, dass Emily an diesem Nachmittag zum letzten Mal im Verkaufsraum arbeitete. Ab morgen würde sie sich in ihr Atelier im neu eingerichteten Stockwerk über dem Laden zurückziehen, und die neu eingestellten Schneiderinnen würden damit beginnen, die Entwürfe zu den ersten kompletten „Madame Emilie“-Kreationen umzusetzen.
Um den Anlass gebührend zu feiern, beschloss er, ihr Blumen mitzubringen und Francesca zu bitten, ein besonderes Dinner vorzubereiten. Später, wenn Emily entspannt und gesättigt war, wollte er ihr von der bevorstehenden Reise erzählen. Sicher würde sie es ihm nicht verübeln, wenn er sie wegen einer familiären Verpflichtung für einige Tage verließ.
Da er so bald wie möglich abreisen musste, sollte er besser seine Arbeit zu Ende bringen. Daher achtete er nicht auf seine wachsende Unruhe und wandte sich wieder den Zahlenkolonnen zu.
Etliche Stunden später betrat Evan mit einem Bouquet in der Hand das Geschäft. Emily stand auf der anderen Seite des Raums und passte gerade einer Kundin einen Hut an. Allein ihr Anblick schien ihn zu wärmen und zu besänftigen. Da er sie nicht stören wollte, lehnte er sich an die Wand und wartete.
Hinter ihm läutete die Türglocke. Eine junge, gut gekleidete Dame trat ein und betrachtete die Hüte in der Auslage. Plötzlich schrie sie überrascht auf. „Auriana!“ rief sie entzückt. „Meine liebe Auriana, bist du es wirklich?“
Evan nahm an, dass sie Emilys Kundin meinte, doch zu seinem grenzenlosen Erstaunen war es Emily, die sich der unbekannten Dame zuwandte und zur Begrüßung die Hände ausstreckte.
„Liebste Cecelia“, sagte Emily, während sie die andere umarmte. „Wie wundervoll, dich wiederzusehen.“
Evan stand da wie angewurzelt, als die Neuangekommene Emily auf Armeslänge von sich schob und sie von Kopf bis Fuß musterte.
„Du bist so hübsch wie immer! Und wie sehr ich mich freue, dich zu sehen, Auriana! Als du mit Andrew fortgegangen bist, haben wir jeden Kontakt verloren – niemand im Regiment schien zu wissen, wo ihr wart. Wir waren so traurig, als wir hörten, dass …“ Sie verstummte betroffen. „Nun, Roger ist niemals wirklich darüber hinweggekommen. Wohin bist du eigentlich verschwunden, nachdem … ach, schon gut! Jetzt, da ich dich gefunden habe, musst du mir unbedingt bei einer Tasse Tee alle Neuigkeiten erzählen!“
Bevor Emily antworten konnte, räusperte sich die Kundin geräuschvoll. „Madame Emilie, so reizend es auch sein mag, Ihre Bekannte kennen zu lernen, muss ich doch darauf bestehen, dass Sie sich zunächst um meinen Hut kümmern. Ich habe heute Nachmittag noch einige Besuche zu erledigen und kann nicht warten, bis Sie mit dem Plaudern fertig sind.“
Für einen Moment sagte Emily nichts, während Cecelia sie und die Kundin überrascht beobachtete. Sanft löste sich Emily von ihrer alten Freundin. Erst jetzt gewahrte sie Evan, der neben dem Eingang wartete. Ihre Wangen färbten sich tiefrot.
Da er indes vor Verblüffung kein Wort über die Lippen brachte, widmete sie sich wieder ihrer Kundin.
„Ich würde mich liebend gerne später mit dir unterhalten, Cecelia. Warum gibst du nicht Francesca deine Adresse, sodass ich dich besuchen kann? Ich fürchte, im Moment muss ich mich um mein Geschäft kümmern.“
Die Fremde sah sie fassungslos an. „Madame Emilie – du? Oh …“ Sie errötete ebenfalls, als ihr endlich die Wahrheit dämmerte. „Ja, du musst mit deiner Arbeit fortfahren. Ich werde nur mit Francesca sprechen.“
Bei diesen Worten erschien das Dienstmädchen, als hätte es der Unterredung gelauscht, was wahrscheinlich auch der Fall war. Während sie etwas auf Portugiesisch vor sich hin murmelte, winkte sie Emilys Freundin. Mit einem letzten verwunderten Blick auf Emily folgte sie Francesca hinaus.
Mit hoch erhobenem Kopf kehrte Emily zu ihrer Kundin zurück. „Nun, Lady Baxter, gefallen Ihnen diese Bänder?“
Vielleicht war es, weil er hatte miterleben müssen, wie Emily von einer Fremden umarmt und mit einem Namen angesprochen worden war, den er noch nie gehört hatte, oder vielleicht war auch die Unverschämtheit von Lady Baxter schuld, selbst die Tochter eines Kaufmannes, der einen adligen Ehemann für seine Tochter gekauft hatte – jedenfalls wurde Evan plötzlich sehr wütend.
„Madame Emilie.“ Er kam näher und verbeugte sich tief. „Meine Mutter übermittelt Ihnen die besten Grüße und möchte ihre Zufriedenheit über Ihre
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