Die schöne Mätresse
seine Schulter. Ihre Augen waren feucht, als sie sich von ihm löste. „Als mein Mann starb, stand ich vor einer schweren Entscheidung. Entweder kehrte ich allem, was ich einst gewesen war, für immer den Rücken und überlebte, oder ich klammerte mich an meinen Stolz und verhungerte. Ich fand, ein neues Leben erfordere auch einen neuen Namen, also änderte ich ihn. Obwohl Emily auch mein richtiger Name ist“, fügte sie verlegen hinzu. „Ich wurde Auriana Emilie getauft, nach einer französischen Verwandten.“
Sie hatte ihre Vergangenheit nicht versteckt, sondern nur klar mit dem Leben abgeschlossen, das sie sich nicht mehr leisten konnte. Die Erkenntnis beruhigte ihn zutiefst. „Wirst du deine Freundin besuchen?“
„Ja, obwohl ich bezweifle, dass sie mich empfangen wird.“ Sie atmete tief ein. „Ich bin jetzt Madame Emilie, die Geschäftsfrau, nicht länger die Frau eines Offizierskameraden.“
Der Gedanke daran, dass sie nun die anmaßende Behandlung derer ertragen musste, die früher ihresgleichen gewesen waren, machte ihn traurig. „Du bist ebenso viel, nein, mehr wert als sie“, rief er ärgerlich. „Jede andere Frau wäre in Spanien zu Grunde gegangen, allein und vergessen. Du hast nicht nur überlebt, sondern auch ein blühendes Geschäft aufgebaut.“
„Ich habe teuer dafür bezahlt.“
Die Worte waren nicht mehr als ein Flüstern, und er wusste darauf keine Erwiderung. Daher gab er ihr den einzigen Trost, den er ihr ohne eine Lüge anbieten konnte: Er schloss sie in seine schützenden Arme.
Viel später, nach einer guten Flasche Wein und einer von Francescas vorzüglichen Paellas, schien Emily sich von ihrem Schrecken erholt zu haben. Als sie ihn um seinen Rat beim Umbau ihres Geschäfts bat, da die Handwerker in den nächsten Tagen mit der Arbeit beginnen sollten, nutzte er die Gelegenheit, um ihr seine Neuigkeiten mitzuteilen.
Er bemühte sich um einen gleichmütigen Tonfall. „Ich fürchte, ich muss London Ende der Woche verlassen. Nicht für lange, Liebste.“
Enthielt der überraschte Blick, mit dem sie ihn bedachte, auch Enttäuschung? Er hoffte es, aber ihre ruhige Stimme gab keinen Hinweis darauf. „Ich verstehe. Es handelt sich wahrscheinlich um die geheimnisvolle Angelegenheit, über die du nicht sprichst. Werde ich dich vorher noch sehen? Sonst wünsche ich dir jetzt schon eine gute Reise.“
„Ich werde jeden Abend bei dir sein, solange ich noch in der Stadt bin“, beteuerte er rasch. „Nach meiner Rückkehr werde ich allerdings weniger Zeit für dich haben. Meine Schwester hat ihre erste Saison.“
„Ja. Du musst sie natürlich begleiten.“
Er schnitt eine Grimasse. „Das fürchte ich auch, obwohl ich lieber an hundert politischen Treffen teilnehmen würde, als einen einzigen eintönigen Tanzabend bei Almack’s zu verbringen.“ Er zögerte. Sollte er ihr von Andrea erzählen? Schließlich gehörten die beiden Frauen völlig unterschiedlichen Welten an, und ihre Wege würden sich niemals kreuzen. Außerdem könnte sie seine Sorge um Andrea womöglich missverstehen …
„Bist du sicher, dass du nicht zu beschäftigt sein wirst?“ Ihre Frage unterbrach seine Gedanken. „Ich möchte dich nicht von deinen familiären Pflichten abhalten. Wahrscheinlich hast du dich in letzter Zeit schon oft genug meinetwegen zurückgezogen. Vielleicht wäre es das Beste, wenn wir …“
„Nein!“ protestierte er schockiert und zwang sich zu einem ruhigeren Tonfall. „Nein. Mein Terminplan wird zwar ausgefüllter sein, aber nicht vollkommen. Ich habe nicht die Absicht, auf die Gesellschaft meiner liebsten Freunde zu verzichten, nur um das Debüt meiner Schwester zu überwachen.“
„Bist du sicher?“ fragte sie leise.
„Natürlich. Nun, könntest du die Arbeiter nicht später bestellen? Ich sollte spätestens in vier Tagen zurück sein. Welche Änderungen sollen sie vornehmen?“
Geschickt lenkte er ihre Konversation wieder zurück auf das Geschäft. Langsam ließ die Panik nach, die ihn bei Emilys Andeutung ergriffen hatte. Ihre Liaison beenden? Vielleicht später. Aber jetzt? Niemals!
Bewegt zog er sie in die Arme und genoss ihre Nähe. „Genug geredet“, flüsterte er und küsste sie. Sehnsuchtsvoll vertiefte er den Kuss, als ob er einem inneren Verlangen folgte, ihr seine Gefühle zu zeigen. Ihre leidenschaftliche Reaktion gab ihm Gewissheit.
Er konnte nichts an seiner unsicheren Zukunft ändern, aber die Gegenwart gehörte ihnen. Und er würde das Beste daraus
Weitere Kostenlose Bücher