Die schöne Mätresse
machen. Liebevoll hob er Emily hoch und trug sie die Treppe hinauf.
Einige Tage später ging Emily aus ihrem Schlafzimmer in den Speiseraum. Da Evan London verlassen hatte, frühstückte sie allein – eine Erfahrung, die sie nicht mehr gewohnt war.
Er war schon aufgebrochen, als sie vor zwei Tagen nach Hause gekommen war. Das Dinner war ohne seine anregende Konversation langweilig und der Abend noch trübseliger.
Kannte sie ihn wirklich erst seit drei Monaten? Sie lächelte, als sie sich an seine starken Arme, an sein verschmitztes Lächeln erinnerte. Er hatte so viel Glück in ihr einsames Leben gebracht, dass sie nicht wusste, wie sie ihre Tage ohne ihn verbracht hatte.
Oder ihre Nächte. Sie schlief nicht mehr gut, da sie seine Wärme neben sich vermisste, seine starke Schulter, an der sie nach dem Liebesakt zufrieden einschlief.
Abgesehen von ihrer Affäre waren sie auch gute Freunde geworden. Sie hatte festgestellt, wie viele Interessen sie teilten, von starkem Tee angefangen über bestimmte Dichter bis hin zu Schach. Ein wortloses, instinktives Verstehen verband sie von Tag zu Tag mehr. Oft errieten sie die Gedanken des anderen, bevor sie überhaupt ausgesprochen waren. Es war schön, mit Evan zu lachen und mit ihm über die täglichen Geschehnisse zu sprechen. So wie mit Andrew.
Dieser letzte Gedanke löste ein starkes Schuldgefühl in ihr aus. Wie konnte sie diese … unmoralische, zeitweilige Liaison mit dem vergleichen, was sie mit Andrew verbunden hatte?
Wenn sie insgeheim schon auf das Unmögliche hoffte, war es wohl gut, dass Evan abgereist war und sie nach seiner Rückkehr seltener besuchen würde. Das Ende zeichnete sich offenbar bereits ab, und je früher sie sich daran gewöhnte, desto besser. Die Versuchung, ihr Glück von ihm abhängig zu machen, war zu groß.
Plötzlich war ihre gute Laune an diesem Morgen verschwunden.
Francesca kam mit Tee herein und runzelte die Stirn, als sie Emilys Gesichtsausdruck bemerkte. „Sie sehnen sich nach Seiner Lordschaft, nicht wahr? Er wird nicht lange fortbleiben,
querida
. Und sein tiefes Seufzen, als er aufbrach? Er wird Sie auch sehr vermissen.“ Sie zwinkerte Emily wissend zu.
„Unsinn“, erwiderte Emily schärfer, als sie es beabsichtigt hatte. „Niemand von uns vermisst den anderen. Ich muss mich um den Laden kümmern, und auch er hat seine Geschäfte.“
Francesca zuckte ungerührt die Schultern. „Auf jeden Fall wird er nicht lange wegbleiben. Er liebt Sie. Ich sehe es in seinen Augen.“
Konnte Francesca Recht haben? Gegen ihren Willen verspürte Emily eine unbändige Freude. Trotzdem war es ein unmöglicher Gedanke.
„Sie schweigen.“ Francesca lächelte. „Aber Ihr Blick verrät, dass …“
„Still, Francesca! Du redest Unsinn.“
„Es ist keine Schande, einem anderen Menschen sein Herz zu öffnen. Außerdem ist es an der Zeit, und Sie sollten es tun.“
Emily schüttelte heftig den Kopf. „Selbst wenn ich bereit zu einer solchen Verbindung wäre, dann wäre es äußerst töricht, sich in Lord Cheverly zu verlieben. Ich werde für ihn niemals etwas anderes sein als seine …“ Sie brachte das Wort nicht über die Lippen.
„Ich denke, Sie irren sich. Bei unseren Reisen bin ich vielen Männern begegnet, vom einfachen Soldaten bis zum mächtigen Lord, Mistress. Er schaut sie nicht an, als ob er nur Lust verspürt. Nein, ich sehe eine gewisse … Zärtlichkeit. Vielleicht bittet er Sie schon bald, seine Frau zu werden.“
Seine Frau. Es war eine wunderschöne Vorstellung, stolz und offen an seiner Seite gehen zu dürfen. Doch die nüchterne Realität verdrängte diesen Wunschtraum sofort wieder.
„Wie dumm von dir, Francesca!“ rief sie zornig, obwohl sie eher wütend auf sich selbst war. „Der große Earl of Cheverly soll um die Hand einer einfachen Geschäftsfrau anhalten? Und wäre er noch so verliebt, was ich übrigens bezweifle, niemals könnte er die Unmöglichkeit dieser Verbindung ignorieren!“
„Wieso unmöglich? Wo könnte er eine schönere Frau finden als Sie, zumal Sie ebenso vornehm sprechen wie die feinste Dame. Und Ihre Anmut gleicht …“
„Genug!“ Emily hob abwehrend die Hand. Sie musste unwillkürlich über die absurde Idee lächeln. „Sonst verliebe ich mich noch in mich selbst, wie einst der sagenhafte Narziss.“
„Sie scherzen, aber dennoch wird es geschehen. Ich fühle es.“
„Nein, das wird es nicht. Oh Francesca, du bist keine Engländerin. Wie soll ich es dir nur erklären? Sogar
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