Die schöne Mätresse
gute Freunde so viel Zeit wie möglich zusammen verbringen wollten. Das musste sogar Emily einsehen.
Er verdrängte das aufkeimende Unbehagen. Wenn sie nur nicht so schrecklich selbstständig wäre! Er wollte unbedingt vermeiden, dass sie dachte, er wolle sie bevormunden.
Als er den letzten Gegenstand aus der großen Reisetasche zog, schmunzelte er unwillkürlich. Selbst seine eigenwillige Emily würde nichts gegen eine Schachtel Pralinen von „Gunter’s“ einzuwenden haben, der exklusivsten Confiserie der Stadt. Nach kurzem Nachdenken beschloss er, das Päckchen zwischen ihren Dessous zu deponieren. Es sollte eine süße Erinnerung an ihn sein, wenn sie sich am nächsten Morgen ankleidete.
Er ging zu ihrer Kommode und griff in die Schublade, um die zarte Wäsche beiseite zu schieben. Allein die Vorstellung von Emily in diesem hauchdünnen Stoff erregte ihn. Wieder einmal erstaunte ihn das unbändige Verlangen, das nur sie in ihm erwecken konnte.
Da es noch Stunden dauern würde, bis er seine Tagträume in die Wirklichkeit umsetzen konnte, sollte er besser gehen. Energischer als nötig schob er die Schachtel in eine Ecke der Schublade.
Ein metallisches Geräusch ließ ihn zusammenzucken. Verdammt, hatte er eines ihrer kostbaren Erinnerungsstücke zerbrochen? Ungeduldig suchte er in den Wäschestücken, bis ein Gegenstand zum Vorschein kam.
Das Porträt des Soldaten.
Evan stockte der Atem, und seine Miene wurde finster. Mit zusammengebissenen Zähnen stieß er die Schublade zu und stürmte aus dem Raum.
7. KAPITEL
E van blieb auf der Türschwelle zu „White’s“ stehen. Es war Zeit zum Mittagessen, und eine gute Mahlzeit würde vielleicht seine Stimmung verbessern.
Es sollte ihn nicht derart aufregen, dass Emily immer noch die Miniatur ihres Mannes aufbewahrte. Man konnte solche Erinnerungen nicht nach Belieben verdrängen. Nein, eine sensible Frau vergaß eine so enge Verbindung nicht einfach, nur weil ein paar Jahre vergangen waren.
Er entdeckte Brent Blakesly am Kamin, und sofort hoben sich seine Lebensgeister. Ein Gespräch mit Brent über Delikatessen oder Weine würde ihn gewiss ablenken. Lächelnd winkte er ihm zu.
„Evan?“ Brent stellte sein Glas ab und eilte ihm entgegen. „Welch willkommener Zufall, dich zu sehen, mein Freund!“ Lächelnd streckte er die Hand aus. „Nachdem du dich in letzter Zeit so rar gemacht hast, dachte ich schon, du seist einem Kloster beigetreten oder auf irgendeiner geheimen Mission.“
Evans schlechtes Gewissen meldete sich. „Nun, ich habe viel … gearbeitet.“ Er winkte ab. „Außerdem ist doch ein gesellschaftlicher Anlass wie der nächste, oder?“
„Das ist nicht gerade höflich, aber trotzdem wahr.“ Brent lachte. „Komm, während wir etwas für deine verwöhnten Geschmacksnerven suchen, kannst du mir erzählen, was du in letzter Zeit getrieben hast.“
Da Evan etwas Unverständliches murmelte, sah ihn Brent neugierig an. „Sollte ich nicht fragen? Wie steht es um deine Affäre?“
Trotz seiner Verstimmung musste Evan lächeln. „Wunderbar.“
„Also warst du auf dem Land.“
„Land?“ Verwirrt runzelte Evan die Stirn.
„Warst du nicht in Wimberley, um Andrea abzuholen? Ich dachte … letzten Monat beim Dinner der Cunninghams sprach deine Mutter davon.“
Ein unangenehmer Gedanke kam ihm. Er erinnerte sich vage daran, dass seine Mutter ihn wegen dieser Angelegenheit bedrängt hatte. In letzter Zeit war er jedoch so … beschäftigt gewesen, dass er kaum wahrgenommen hatte, wie die Wochen verstrichen. Plötzlich fiel ihm ein, dass die Saison bald beginnen würde.
„Bringst du sie nach London?“ erkundigte Brent sich.
„Ja, natürlich. Bevor Richard zur Armee ging, habe ich ihm schließlich versprochen, mich um seine Schwester zu kümmern. Außerdem ist es an der Zeit, dass sie aufhört, sich zu verstecken.“
„In der Tat. Sie hat ein so freundliches, charmantes Wesen, dass man das Hinken nach einer Weile kaum noch bemerkt.“
„Ich zähle darauf, dass du mir dabei hilfst, sie davon zu überzeugen.“
„Es wäre mir eine Freude. Wann fährst du also nach Wimberley?“
Verdammt. Er würde bald aufbrechen müssen, damit Andrea genug Zeit blieb, um die erforderliche Garderobe zu bestellen. Ihm fiel ein, kürzlich eine Reihe Rechnungen für seine Schwester Clare beglichen zu haben, die sich ebenfalls auf ihre erste Saison vorbereitete.
Aber wie sollte er es Emily beibringen, dass er sie verlassen musste?
„Beim Zeus, was
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