Die schöne Mätresse
wenn ich all diese Vorzüge und mehr besitzen würde, es könnte niemals den Makel des Hutgeschäfts beseitigen. Für seine Familie würde es einen Skandal und den sicheren Ruin bedeuten, falls er so weit unter seinen Verhältnissen heiraten sollte. Sei versichert, es wird niemals passieren.“
Francesca tätschelte ihre Hand. „Und wenn es ein Kind gäbe? Das würde doch alles ändern, nicht wahr? Sicher würde er …“
„Denk nicht einmal daran!“ Emily sprang auf. „Wir waren vorsichtig. Lord Cheverly kann mich nicht heiraten, und ich würde lieber sterben, als einem Kind die Schande zuzumuten, als Bastard aufzuwachsen.“
Sie drohte Francesca mit dem Finger. „Wage es nicht, ihm gegenüber eine Ehe auch nur anzudeuten! Sonst schicke ich dich zurück nach Portugal!“
Das Dienstmädchen ließ sich indes nicht so schnell einschüchtern. „Aber Sie sind doch nicht als Bürgerliche geboren, nicht wahr? Eine Hochzeit wäre durchaus möglich, würden Sie ihm nur erzählen …“
„Wir sagen ihm nichts!“ Emily ergriff Francescas Arm und sah sie flehend an. „Du darfst ihm nichts verraten, niemals, verstehst du? Was, wenn es ihm in den Sinn käme, sich einzumischen? Wir könnten alles verlieren! Warum sollten wir aus Leichtsinn riskieren, was uns am liebsten ist?“
Allein die Möglichkeit war so beängstigend, dass sie nackte Angst verspürte.
Nach dem Zwischenfall im Laden hatte sie kurz in Erwägung gezogen, dem Earl mehr über ihr Leben zu enthüllen, hatte den Gedanken dann aber als zu gefährlich abgetan. Auch jetzt hatte sich nichts daran geändert. Tränen der Verzweiflung traten in ihre Augen.
„Ruhig,
querida
!“ Francesca streichelte ihr besänftigend die Hand. „Ich bin doch nicht verrückt. Niemals würde ich Sie oder Ihren süßen Sohn in Gefahr bringen!“
Emily atmete schwer. „Nein, natürlich nicht. Aber Lord Cheverly ist klug. Falls du hier und da eine Bemerkung oder einen Namen fallen lässt, wird er in kürzester Zeit das Puzzle zusammengesetzt haben. Daher darfst du überhaupt nichts sagen, Francesca. Versprich es mir.“
Das Dienstmädchen seufzte. „Ich halte es immer noch für falsch, denn irgendwann wird er es ohnehin herausfinden. Aber Sie haben genug Sorgen, und ich werde sie nicht vergrößern.“ Sie bekreuzigte sich. „Ich schwöre es.“
Auch Emily fürchtete die Möglichkeit, dass Evan früher oder später die volle Wahrheit entdecken würde. Unbehaglich erinnerte sie sich an seine gekränkte Miene, als er ihren wirklichen Namen erfahren hatte. Nun, mit diesem Problem würde sie sich befassen, wenn es so weit war.
Sie wollte sich gerade wieder ihrem Tee zuwenden, als Lärm aus der Halle hereindrang. „Meine Güte, was für ein Aufruhr. Francesca, könntest du …“
„Ja, Mistress, ich werde nachsehen.“
Emily hatte nur einen Schluck getrunken, als Francesca erstickt aufschrie. Emily sprang sofort auf und rannte ihr nach. „Was ist, Francesca? Ist jemand …“
Der Anblick, der sie erwartete, ließ die Worte auf ihren Lippen verstummen.
Bei Tagesanbruch lenkte Evan sein Pferd in die ruhige Straße vor Emilys Haus. Er hatte nicht damit gerechnet, so schnell zurückzukehren, doch Andreas Widerstand war schnell geschwunden, als er Richards Namen erwähnt hatte. Da die erste Saison eine vollständig neue Garderobe erforderte, benötigte Andrea nur wenig Zeit für die Reisevorbereitungen. Gestern Abend hatten sie London erreicht.
Nachdem er das Gepäck abgestellt und Andrea der Obhut seiner Mutter und Schwester anvertraut hatte, war Evan zum Kriegsministerium geritten, um für den Großteil der Nacht zu arbeiten. Eigentlich hätte er sich nach Hause begeben und schlafen sollen, doch das Verlangen nach Emily war stärker als seine Müdigkeit.
Wahrscheinlich war sie bereits wach. Falls nicht, würde er in ihr Bett schlüpfen und sie mit Küssen wecken. Sein Körper reagierte sofort auf diesen Gedanken.
Während er sich, beflügelt von seiner Fantasie, aus dem Sattel schwang, bemerkte er kaum das gähnende Hausmädchen, das einen Staubwedel ausschüttelte, oder die Händler, die schon auf den Straßen unterwegs waren. Dann stieg ein Mann die Treppe zu Emilys Haustür hinauf – ein Besucher, wie es schien.
Evan band die Zügel an einen Pfosten und näherte sich neugierig. Ein älterer Gentleman mit dem Kragen eines Geistlichen sah ihn fragend an. Hinter dem Priester war noch eine kleinere dunkelhaarige Gestalt zu erkennen, die hinter dem Rücken des Mannes
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