Die schöne Mätresse
intimeren Beziehung allein seiner ehrlichen Zuneigung entsprangen.
Wenn sie diese Zuneigung nur erwidern könnte. Er war freundlich, gut aussehend, humorvoll und ihr treu ergeben. Doch obwohl sie seine Freundschaft zu schätzen wusste, gehörte ihr Herz immer noch einem anderen.
Gütiger Himmel, was musste Evan nur über sie denken? So intelligent, wie er war, hatte er mittlerweile zweifellos die Geschichte gehört und richtig interpretiert. Sicher wusste er, dass sie die skandalöse Betrügerin oder verlorene Verwandte war – je nachdem, welcher Geschichte man Glauben schenkte.
Am liebsten hätte sie ihm eine Nachricht geschickt und ihm die Umstände mitgeteilt, die sie aus ihrem Geschäft in der Bond Street in das Stadthaus des Earl of Maxwell am St. James Square geführt hatten. Beinahe hätte sie es getan, aber nach ihrer schmerzlichen Trennung an jenem Morgen wusste sie nicht, ob er sich noch genug für sie interessierte, um den Brief überhaupt zu lesen. Außerdem würde er bald heiraten, und sie hatte kein Recht, sich erneut in sein Leben zu drängen.
Als sie an den bevorstehenden Ball dachte, lief ihr ein Schauer über den Rücken. Doch der wahre Grund für ihre Unruhe war nicht eine mögliche Zurückweisung durch die Gesellschaft, sondern die Frage, ob ein bestimmter Gast kommen würde – und was sie zu ihm sagen sollte, falls er tatsächlich erschien.
15. KAPITEL
J e näher die Kutsche dem Stadthaus des Earl of Maxwell kam, desto gereizter wurde Evan. Er konnte sich kaum beherrschen, die Damen mit einer unfreundlichen Bemerkung zum Schweigen zu bringen. Schließlich versuchten sie nur, sich während der langen Fahrt mit etwas Geplauder die Zeit zu vertreiben.
Wäre ihm eine plausible Ausrede eingefallen, um diesem Ball zu entrinnen, so hätte er sie sofort benutzt. Wie auch immer, ganz London hatte sich um eine Einladung gerissen, und zweifellos würde man über kein Ereignis der Saison mehr reden. Eine Weigerung, seine Mutter, Clare und Andrea zu diesem Fest zu begleiten, hätte höchstes Befremden ausgelöst.
Zudem wusste Mama, dass er die Dame bereits kennen gelernt hatte, denn er hatte mehrmals Hüte in ihrem Laden abgeholt. Falls er keinerlei Interesse daran zeigte, die einstige Geschäftsbesitzerin in ihren erstaunlich geänderten Lebensumständen anzutreffen, hätte dies nur zu weiteren Spekulationen geführt. Und er wünschte nicht, dass jemand von seiner Affäre mit Emily erfuhr, besonders nicht seine Mutter, die bisher glücklicherweise über die Identität seiner heimlichen Geliebten im Dunkeln tappte.
Er war sich nicht einmal mehr seiner eigenen Gefühle sicher. Obwohl er noch immer wütend auf sie war, wäre es ihm wahrscheinlich trotz allem nicht gelungen, dem Ball fernzubleiben. Seit dem Morgen ihrer bitteren Trennung hatte er Emily nicht mehr gesehen, und er hätte seinen Stolz mit Freuden geopfert, um nur einen kurzen Blick auf ihr Gesicht zu erhaschen.
Welche Ironie des Schicksals, dachte er missmutig. Nach all der Zeit, in der sie ihm nicht einmal eine Nachricht mit einer Erklärung geschickt hatte, begehrte er sie immer noch schmerzlich.
„Wie gut kennen Sie die junge Dame, die behauptet, Lady Auriana zu sein?“ fragte Andrea seine Mutter.
Bei der Erwähnung ihres Namens zuckte Evan kaum merklich zusammen. Schnell wandte er den Kopf ab und bemühte sich, der Konversation nicht zuzuhören.
„Einigermaßen gut. Sie ist außerordentlich schön und sehr talentiert. Du hast mich doch mehrmals Hüte tragen sehen, die sie entworfen hat – den blassblauen aus Samt und den grünen mit der Fasanenfeder.“
„Ja, ich erinnere mich. Die Modelle sind wunderschön und stehen Ihnen ausgezeichnet, Lady Cheverly. Ob sie wirklich die Tochter des Duke of Suffolk ist?“
Seine Mutter lachte. „Ich glaube das eher als einige der absurden Gerüchte, die mir zu Ohren gekommen sind – dass sie die Mätresse von Lord Maxwell sei oder eine Betrügerin, die jemand angeheuert hat, um sich am Erbe des alten Duke zu bereichern.“
„Hatten Sie denn niemals vermutet, sie könnte eine andere sein, als sie vorgibt?“
„Nicht wirklich. Nun ja, sie besaß eine natürliche Eleganz und benahm sich wie eine Frau, die gewohnt ist, Befehle zu erteilen. Ich erklärte mir das jedoch damit, dass sie als Soldatenfrau und Witwe lernen musste, sich durchzusetzen. Damals kannte ich sie aber nur als Ladeninhaberin, und wir alle glauben nur zu gerne, was wir sehen.“
„Denken Sie, die Patronessen von
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