Die schöne Mätresse
dem Offizier plauderte, kribbelte ihr ganzer Körper vor Erwartung. Bald würden die Hand an ihrer Taille und die männliche Stimme, die in ihr Ohr raunte, Evan gehören.
Der Tanz endete. Ihr Partner blieb an ihrer Seite und redete unterhaltsam auf sie ein. Dann stimmte das Orchester das nächste Stück an. Es war ein Walzer.
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie Evan sich aus der Menge löste und auf sie zuging. Seine Miene war undurchdringlich, und der Blick seiner tiefblauen Augen schien sie verschlingen zu wollen.
Mit einigen gemurmelten Worten und einer Verbeugung bot er ihr seinen Arm an. Als sie die Hand auf seinen Ärmel legte, schien ein Blitz durch ihre Finger zu fahren. Ihr Herz schlug schneller, und ihr ganzer Körper stand plötzlich in Flammen.
Keiner von ihnen sagte etwas. Er führte sie aufs spiegelnde Parkett, umfasste mit einer Hand ihr Handgelenk und hob es hoch. Die andere Hand legte er um ihre Taille, bevor er sie eng an sich zog. Schließlich begann er sie im Dreivierteltakt des Walzers herumzuwirbeln.
Obwohl er kühl und gleichgültig wirkte, war seine Nähe berauschend. Seine Hände, sein muskulöser Körper und selbst sein schmerzlich vertrauter Geruch verwirrten ihre Sinne. Recht, Unrecht, Verpflichtungen – all das war vergessen, während sie sich in seine Arme schmiegte. Mit einem tiefen Seufzer gestattete sie es sich für einen kurzen Moment, ihren Kopf an seine Schulter zu legen.
Der Druck seiner Finger wurde stärker. Dann streifte er mit den Lippen ihr Haar, und sie hörte ihn flüstern: „Oh Emily.“ Er verschränkte seine Finger mit ihren.
Evan bewegte sie in immer schnelleren Kreisen, wodurch sie mit dem ganzen Körper an ihn gepresst wurde, von der Brust bis zu den Hüften. Sehnsüchtig drängte sie sich an ihn, aber nicht die Drehungen machten sie schwindlig, sondern seine Nähe.
Sie hatte in den letzten Wochen unbeschreibliche Mühen auf sich genommen und eine Rolle gespielt, die sie vor so langer Zeit abgelegt hatte, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern konnte. Manchmal fühlte sie sich wie im Körper einer fremden Frau. Doch das hier war vertraut und richtig. Hier, in seinen Armen, durchströmte sie grenzenlose Geborgenheit. Sie klammerte sich an ihn und wünschte, der Walzer möge ewig dauern.
Doch natürlich endete er schon bald, obwohl sie ihn bis zum letzten Takt auskosteten. Ihre Darbietung brachte ihnen begeisterten Applaus von den Umstehenden ein. Evan bot ihr erneut seinen Arm und führte sie von der Tanzfläche.
Allerdings geleitete er sie nicht direkt zurück zu ihrem Stuhl, sondern schlenderte mit ihr umher, als ob er jemanden suche. Sie wollte ihn deswegen schon befragen, als er schließlich sprach.
„Warum, Emily? Warum hast du mir niemals verraten, wer du wirklich bist?“
Er war also immer noch wütend. Sie seufzte traurig. „Welchen Unterschied hätte das gemacht?“
„Welchen …“ Wütend blieb er stehen und sah sie an. „Den allergrößten Unterschied, wie du sehr genau weißt!“
„Tatsächlich? Oh Evan, falls Rob mich nicht zufällig gefunden hätte, wäre ich immer noch Madame Emilie, die in ihrem Geschäft arbeitet. Selbst jetzt ist es höchst fraglich, ob ich von der Gesellschaft akzeptiert werde. Ich hätte es nicht einmal versucht, wenn nicht …“
„Evan, was für ein glücklicher Zufall! Wie ich sehe, haben Sie die Schönheit des Abends entführt. Werden Sie sie mir für den nächsten Tanz überlassen?“
Ein lächelnder junger Mann stellte sich ihnen in den Weg. Sein Blick ruhte allzu vertraulich auf ihrem Körper. „Nicht Ihnen“, entgegnete Evan barsch. „Bedaure, Axelrod, aber sie hat schon jemand anderem den nächsten Tanz versprochen. Würden Sie uns nun bitte entschuldigen?“
Evan brachte sie weg, bevor der Mann eine Chance hatte, zu widersprechen. „Wir können hier nicht in Ruhe reden. Triff mich im Green Park, morgen früh um sieben.“
Sie zuckte unmerklich zusammen. „Ich weiß nicht, ob das klug wäre. Meine Stellung könnte heute Abend … geändert werden, aber deine Situation ist immer noch dieselbe. Du bist ein Earl, verlobt …“
„Emily, bitte. Findest du nicht, dass du mir wenigstens eine Erklärung schuldig bist? Oder habe ich dir so wenig bedeutet?“
Sie blickte zu seinem Gesicht auf – und bereute es sofort. Der verzweifelte Schmerz in seinen Augen machte es ihr unmöglich, ihn anzulügen. „Nein“, erwiderte sie mit bebender Stimme. „Du hast mir sehr viel
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