Die schöne Mätresse
musst du wissen: Als ich um Andreas Hand anhielt, versprach ich ihr keine Liebe. Ich schwor ihr nur Freundschaft und meinen Schutz, und sie hat diese Bedingungen akzeptiert. Es gibt keine Vereinbarung zwischen uns, die du brechen würdest. Solange wir diskret vorgehen, wird unser Verhältnis niemanden verletzen. Es wird keine Gerüchte geben, dein Sohn wird nicht darunter leiden …“
„Es wäre unmoralisch“, unterbrach sie ihn. „Evan, du hast ihr vielleicht keine Liebe versprochen, aber vor dem Altar musst du ihr Treue schwören. Die Angst vor Entdeckung war nicht der einzige Grund, warum ich dich fortschickte. Unsere Affäre würde einen heiligen Eid brechen, und das ist eine Tatsache, die sich nicht aus der Welt schaffen lässt.“
„Ich liebe dich, Emily!“ rief er verzweifelt aus. „Kannst du nicht wenigstens einen kleinen Kompromiss eingehen – für uns und alles, was wir einander bedeuten? Möchtest du uns wirklich dazu verdammen, uns höchstens während eines gelegentlichen Tanzabends oder Dinners beiläufig unterhalten zu können? Damit kann ich nicht leben, das schwöre ich!“
„Und ich könnte nicht mit etwas anderem leben.“
Evan fluchte lautstark und ging davon. Nach einigen Momenten des Überlegens kam er jedoch zurück. Seine Miene war nun ruhig und gefasst. Mit niedergeschlagenem Blick sagte er: „Nun gut, ich will ganz offen sein. Ich will dich nicht nur in der Öffentlichkeit sehen, Emily – dafür liebe ich dich zu sehr. Es war eine Qual, mit dir zu tanzen und mich auf eine flüchtige Berührung zu beschränken, während ich mich so sehr danach sehnte …“ Seine Stimme brach, und er räusperte sich.
Sie spürte, wie ihre Willenskraft schwand.
„Triff mich morgen hier, und wir werden ein gemeinsames Leben planen, das niemanden verletzen wird, das verspreche ich. Wenn du das nicht willst, dann sag mir Lebewohl. Ich muss dich ganz lieben dürfen oder dich nie mehr sehen.“
Sie sah erstaunt zu ihm auf. „Das sind also die Alternativen? Ein heimliches Verhältnis – oder überhaupt nichts?“
„Morgen früh um sieben Uhr. Ich hoffe, du wirst hier sein. Falls nicht …“, endlich sah er ihr mit einem verzweifelten Ausdruck in die Augen, „… dann leb wohl, meine liebste Emily – und Gott segne dich.“ Ohne ein weiteres Wort nahm er die Zügel auf, schwang sich in den Sattel und ritt davon.
Regungslos schaute Emily ihm hinterher.
Um sieben Uhr am nächsten Morgen lief Emily immer noch rastlos in ihrem Schlafzimmer auf und ab.
Natürlich konnte sie Evan nicht treffen. Welchen Sinn sollte das haben? Sie hatte sich bereits geweigert, ihre Beziehung unter diesen Umständen fortzuführen. Selbst die Möglichkeit, sich in der Öffentlichkeit begegnen zu können, ohne dass man sie für seine Mätresse hielt, verbesserte ihre Lage nicht im Mindesten.
Oder vielleicht doch? Gestern war sie noch stundenlang durch den Park geritten, bevor sie heimgekehrt war. Schließlich war sie körperlich und geistig zu erschöpft gewesen, um weiter nachzudenken.
Er hatte seiner Verlobten niemals Liebe versprochen. Also würde er nicht sein Wort brechen.
Bei Männern seines Standes waren Verbindungen üblich, die sich auf Geld oder Familienpolitik begründeten. Liebe war oftmals unabhängig von einer Heirat. Solange alle Verpflichtungen erfüllt wurden, wurden Affären mit Diskretion behandelt.
War nicht ihre Liebe ebenso viel wert wie sein Verantwortungsgefühl gegenüber seiner Familie und seinem verstorbenen Freund? Obwohl sie sich in dieser Hinsicht seit Monaten belogen hatte, lag die Wahrheit auf der Hand. Nicht nur ihre hingebungsvolle Reaktion im Park war ein deutliches Anzeichen dafür, sondern auch ihr Widerwille, diese sinnlose Liaison einfach zu beenden.
Sie liebte Evan. Ja, sie liebte ihn mit Herz und Seele, teilte mit ihm eine innige, wortlose Beziehung, die selten und kostbar war. Verdiente es ein solches Glück nicht, einer anderen Verpflichtung vorgezogen zu werden, die nur auf freundschaftlichen und familiären Banden basierte?
Der Tod hatte ihr die eine Liebe ihres Lebens entrissen. Sollte sie nun nicht an der anderen festhalten, wenn es doch niemanden verletzte, wie er behauptete?
Nein! Sie durfte keinen selbstsüchtigen Träumen nachhängen. Sie würden einen Schwur brechen, den er sowohl vor Andrea als auch vor Gott geleistet hatte. Selbst wenn es ihr unendliche Pein verursachen würde, sie durfte nicht derart ehrlos handeln.
Als die Uhr indes die volle
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