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Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)

Titel: Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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macht lichtempfindlich und führt zu Hautreizungen.

Kapitel X
ENGELWURZ
     
    Burg Pürglitz, März 1563
     
    Die Kleine war ihr Augenstern , denn obwohl Philippine alle ihre Kinder von Herzen liebte, so gab es doch etwas an diesem Mädchen, das sie immer wieder sprachlos machte, so sehr rührte es sie. Es war, als wären alle Züge ihrer Ahnenreihe in diesem einen Kindergesicht miteinander verschmolzen: Onkel Bartholomés wasserhelle Augen, Georgs hohe Stirn, Karls kecke Nase, ihre geschwungenen Lippen, Regines dunkler Wimpernkranz, Katharinas elegante Ohren – von jedem besaß sie etwas und war doch ganz und gar eigenständig, ein winziges Persönchen, das schon mit neun Monaten genau wusste, was es wollte.
    Dem Zwillingsbruder, kurz nach ihr geboren, war sie so weit voraus, als trennten sie Wochen und nicht wenige Minuten. Während Philipp eher rundlich und tapsig war, vom Krabbeln noch weit entfernt, konnte Maria mit entsprechender Hilfe bereits stehen und schaffte es, sich durch geschicktes Robben erstaunlich schnell auf dem Boden zu bewegen. Immer dicht hinter ihr Žit, der die Vergrößerung seines Rudels genoss und am glücklichsten schien, wenn alle Kinder so nah wie möglich bei ihm waren.
    Welchen anderen Namen hätte Philippine ihr geben können?
    Seit Lenkas Ergreifung und anschließender Flucht betete sie jeden Tag zur Gottesmutter, und auch Andi und sogar Karl waren schon in der Lage, einige Passagen des Rosenkranzes nachzuplappern. Ferdinand hatte ihr ein besonders schönes Exemplar geschenkt, einen Rosenkranz gefertigt aus Perlen und zartrosa Korallen, den sie ständig bei sich trug.
    Allein ihn zu berühren, schenkte ihr Mut und Kraft.
    Fast ebenso oft bat sie ihren toten Onkel um Beistand. Die Reise nach Böhmen, viel zu lange aufgeschoben, hatte Onkel Bartholomé aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr antreten können. Jetzt blieben ihr nur die Erinnerungen an ihn und seine Briefe, die Philippine wie einen Schatz hütete.
    Die flüchtige Lenka hatte nicht gefasst werden können, und ebenso wenig waren die Namen derer bekannt geworden, die sie angestiftet haben könnten. Hofstallmeister Pernstein hatte keinen Fuß mehr auf die Burg gesetzt, und doch spürte Philippine noch immer seinen dunklen Schatten, der unheilvoll über ihnen schwebte. Dusanas Gesänge waren leiser geworden, aber keineswegs verstummt. Manchmal glaubte sie sogar eine zweite, hellere Stimme zu vernehmen, die mit in das dumpfe Klagen einfiel, doch das konnte ebenso gut an ihren überreizten Nerven liegen.
    Hatte sie schon die Zwillingsgeburt bis an den Rand ihrer körperlichen und seelischen Grenzen gebracht, so tat die dritte Farce der Kindesauffindung ein Übriges. Philippine verfiel in einen stundenlangen Weinkrampf, als die Säuglinge aus der Wiege genommen wurden, so schlecht konnte sie es ertragen, über Stunden von ihren Jüngsten getrennt zu werden. Ferdinand gelang es, sie schließlich zu beruhigen. Doch zurück blieb ein quälender Schluckauf, der erst binnen Wochenfrist wieder verschwand.
    Andere, schwerere Malaisen kamen dazu – und hielten sich hartnäckig.
    Die Beine wollten nicht abschwellen, der Wochenfluss nicht versiegen. Die Brüste, die zum dritten Mal hintereinander nicht stillen durften, waren entzündet. Den Leib, der die doppelte Last hatte tragen müssen, verunstalteten breite Streifen, die zunächst rot und rissig waren und sich erst allmählich silbrig färbten. Zwei Zähne hatte sie verloren und hütete sich jetzt, beim Lachen den Mund so ungeniert aufzureißen, wie sie es früher getan hatte. Vor allem aber gab es jenen dumpfen Schmerz tief in ihrem Innersten, von dem sie niemandem etwas erzählte.
    Vor ihrem großen Spiegel wusste Philippine manchmal nicht, ob sie weinen oder nicht doch eher lachen sollte, wenn sie die unbekannte Frau betrachtete, die ihr daraus entgegenblickte. Schließlich entschied sie sich, ihn fürs Erste wegzustellen. Wer sie war und wie sie aussah, das konnte sie viel besser in Ferdinands goldenen Augen lesen, die sie anstrahlten und mit Blicken liebkosten wie am allerersten Tag.
    Hier, auf Pürglitz, lebten sie fernab aller Etikette als Frau und Mann, Mutter und Vater einer stetig wachsenden Kinderschar – sooft der Erzherzog sich von seinen anderweitigen Verpflichtungen freimachen konnte. Doch es war nur ein geborgtes Glück. Brüchig. Jederzeit abrufbar. Beide wussten es, wenngleich keiner es in Gegenwart des anderen laut aussprach.
    Denn sein Vater, der Kaiser,

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