Die schöne Philippine Welserin: Historischer Kriminalroman (Historischer Roman) (German Edition)
nicht langsam aufbrechen?«, sagte Philippine mühsam beherrscht. »Die Tage werden kürzer, und in dieser Wildnis zu übernachten, möchte ich euch dann doch lieber nicht zumuten.«
Der Abschied war kurz, nahezu frostig.
Kaum waren die Hufschläge der beiden verklungen, zog sie sich in ihr Kräuterzimmer zurück. In einem Mörser zerkleinerte sie Weihrauchharz, Tannennadeln, Wacholderbeeren, Mistelblätter, Eisenkraut und Schlehdornzweige. Das Gemisch verströmte einen herben, aromatischen Duft, den sie begierig einsog. Danach schüttete sie alles in eine Räucherschale, verteilte es gleichmäßig und entzündete es mithilfe einer Kerzenflamme.
Langsam ging sie mit der Schale von Raum zu Raum und beobachtete, wie der helle Rauch in alle Ecken zog.
»Mama?«, hörte sie Andreas wispern, der neugierig zu ihr hinauf starrte.
»Das soll die bösen Geister der Vergangenheit vertreiben, Andi«, sagte sie. »Und uns vor dunklen Wesen schützen, die in der Zukunft lauern. Aber dazu wird es ohnehin nicht kommen. Denn das lassen dein Vater und ich nicht zu.«
»Papa?«, sagte der Kleine. »Papa – nicht da?«
»Nein«, sagte sie und konnte gerade noch die Tränen unterdrücken, die ihr die Kehle eng machten. »Leider! Aber er wird uns sicherlich bald besuchen.«
*
Burg Pürglitz, 22. November 1560
Das Gerücht ist nicht länger ein Gerücht. Der Kaiser hat von unserer heimlichen Eheschließung erfahren – und soll schäumen.
Was hatte er nicht alles mit seinem Lieblingssohn vor!
Ferdinands hartnäckige Weigerung, zu heiraten, hatte er geduldig als Marotte ertragen, die sich doch eines Tages zum Guten wenden würde, sobald er nur die richtige Prinzessin für ihn gefunden hätte.
Und jetzt hat er ihn verloren, so glaubt er zu wissen, an mich, eine wertlose Bürgerliche.
Mindestens ebenso toben Ferdinands Brüder, allen voran Maximilian, der dem Vater auf dem Thron nachfolgen soll. Entsetzt und bekümmert sollen sie sein, wie ich gehört habe, felsenfest überzeugt davon, ich müsse ihn verzaubert haben, durch magische Mittel willenlos gemacht, um ihn für immer an mich zu binden.
Eine Hündin nennen sie mich, die in einen Sack gehört, um im Fluss ersäuft zu werden.
Und die Welpen gleich mit dazu?
Ferdinand ist krank vor Kummer und Schreck, mag nicht essen, mag nicht einmal zu uns reiten, obwohl das neue Kind nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Obwohl es mehr als ein Monat vor der errechneten Zeit ist, spüre ich, wie es unaufhörlich weiter nach unten rutscht, als bereite es sich bereits auf die Geburt vor.
Achtmonatskinder, so sagt man, gehören dem Teufel.
Hier in Böhmen hängt man ihnen Bernstein um den Hals, schmückt sie mit bunten Glasperlen und Murmeln aus Bein, um ihre Seelen doch noch zu retten. Ich mag es nicht glauben und will doch alles hören. Unaufhörlich kreisen die alten Sprüche in meinem Kopf.
Wie in aller Welt könnte ich zur Ruhe finden, wenn mein Liebster so elend an Leib und Seele ist?
Wird der Kaiser seinen zweiten Sohn verstoßen?
Und was würde dann aus mir – aus uns?
Müssen wir die Burg verlassen, jetzt, zu Beginn des Winters, wo alles zu frieren beginnt?
Andreas ist seit Tagen nicht wohl. Er klagt über Bauchweh und Übelkeit, und natürlich kommen sie sofort wieder angeflogen, jene dunklen, schrecklichen Gedanken, die ich wohl bis zum Lebensende nicht mehr loswerde. Zuerst hat Karl sich um ihn gekümmert, rührender, als ich es ihm jemals zugetraut hätte, hat ihm erzählt, mit ihm gescherzt, ihn zum Lachen gebracht.
Gibt es da Seiten an meinem Bruder, die ich bis jetzt noch nicht kannte?
Doch der Kleine bleibt matt und schwach.
Zum Glück hat die Mutter ihn inzwischen ganz in ihre Obhut genommen, füttert ihn, lässt ihn in ihrem Bett schlafen, singt ihm vor, streichelt ihn, weicht Tag und Nacht nicht von seiner Seite. Sie beruhigt mich, sagt, wir alle hätten dasselbe durchleiden müssen, als wir klein waren, behandelt ihn mit ihren Rezepturen.
Ich preise den Tag, der sie endlich wieder zu mir gebracht hat.
Sie weiß von uns.
Ich konnte nicht anders, als ihr die Wahrheit zu offenbaren. Sie hat vor Glück geweint und ich mit ihr.
Ferdinand hebt sie auf, als sie sich vor ihm verbeugen will, wie es das Protokoll verlangt, und umarmt sie stattdessen aufs Herzlichste.
Meine Mutter ist tot, sagt er, seit mehr als zehn Jahren. Ich habe sie sehr geliebt und vermisse sie noch heute jeden Tag.
Ab jetzt wirst du meine zweite Mutter sein.
Ein
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