Die schöne Rächerin
keine Bedenken hatte, sich von der schlechtesten Seite zu zeigen, so er auf Prüderie oder Vorurteile traf. Die Tatsache, dass die Vorurteile nicht unbegründet waren, schien ihn nicht zu stören. Er schlief eben gerne mit Frauen, er aß, trank und spielte gern und sah keinen Sinn darin, das alles nicht mit äußerster Hingabe zu tun.
Vielleicht verstand Collis diese Rebellion besser als die meisten anderen, da er sich einem ähnlichen Schicksal ausgeliefert sah. Dalton Montmorency, der große Obermufti der Etheridges, warf vielleicht keinen ganz so langen Schatten wie der König, aber Collis wusste um die Last, ein Erbe zu sein. George wäre am glücklichsten gewesen, hätte er Künstler oder Architekt sein und seine geliebte Maria Fitzherbert heiraten können; ein gewöhnlicher Mann mit ganz ungewöhnlichen Talenten.
Der Prinz rülpste laut. Ja, George war betrunken, wenn auch nicht so betrunken wie Collis. Verdammt . Collis war sicher, dass der Prinz es ihm Schluck für Schluck gleichgetan hatte. Er setzte sich auf und stellte das Glas weg. Er rieb mit beiden Händen über das Gesicht und hoffte, so wach wie George zu werden. »Ich bin auch nicht mehr das, was ich war«, seufzte er.
George wedelte unbekümmert mit dem Glas. »Wer sagt, dass Sie das sollen? Mit fünfundzwanzig waren Sie ein boshafter kleiner Snob, eingebildet und selbstsüchtig. Jetzt sind Sie viel amüsanter. Das Leben und die Kriegsverletzung haben Ihrer Persönlichkeit einen hübschen, trockenen Dreh verpasst; fast wie ein Spritzer Zitrone. Mir ist es so weit lieber.«
»Soll mir recht sein.« Die offenen Worte des Prinzen drangen in Collis weingeschwängertes Hirn und ließen nur eine Erkenntnis zurück. Aber was hatte er davon? Er hatte früher jeden Grund gehabt, stolz und arrogant zu sein, oder nicht? Dann runzelte er die Stirn. »Sie haben doch kaum mit mir gesprochen, als ich fünfundzwanzig war.«
Der Prinz zuckte die Achseln. »Boshafter kleiner Snob, sagte ich doch.« Er legte ein prächtig behostes Bein auf einen Schemel, kreuzte das andere über das Knie und rieb sich den bestrumpften Fuß. »Ich liebe diese Schuhe, aber sie sind verflucht eng.«
Collis streifte die geliebten, anrüchigen Schuhe mit einem Blick. Sie waren aus feinstem weißen Glacéleder und mit goldenen Schnallen verziert. »Sie sehen wirklich ein bisschen zu klein aus.«
George nickte wehmütig. »Aber kleine Füße sind derzeit so in Mode.«
Collis studierte unverhohlen die eigenen Füße. Er hatte keine kleinen Füße mehr gehabt, seit er fünf Jahre alt gewesen war. »Verdammt«, fluchte er leise. »Sieht aus, als sei ich außer Mode.«
George kicherte. »Denken Sie sich nichts dabei, mein Junge. Sie haben andere Qualitäten, nach allem, was die Damen bei Hofe erzählen.«
Collis lehnte sich langsam in seinen Sessel zurück. Einzig die Qualität, einer Frau zur Zierde zu gereichen, unglücklicherweise. Aber das hatte er weder George noch sonst jemandem eingestanden. Alle zogen sie die offensichtlicheren Schlüsse und hielten seinen Ruf, ein Wüstling zu sein, am Leben.
Roses Augen tanzten vor ihm in den Flammen. Er sah die Enttäuschung und den Tadel in ihrem Blick, wie schon so viele Male. Er hatte es sogar darauf angelegt, weil sie ihn allzu oft provoziert hatte. Ernste, haselnussbraune Geringschätzung.
Ich bereue all die Verschwendung . Sein Geschäker mit den Damen bei Hof erschien ihm plötzlich erbärmlich. Collis leerte sein Glas. Diese Nummer würde er sich heute Abend ersparen.
»Woran denken Sie?« Der Prinz sah ihn nicht einmal an, sondern starrte ins Feuer. Manchmal war er einfach zu scharfsichtig.
»Ich denke über die Mysterien des weiblichen Busens nach.«
»Ah. Auch eines meiner Lieblingsthemen. Und wie kommen Sie mit Ihren Überlegungen voran?«
»Ich kreise die Angelegenheit langsam ein.« Er erinnerte sich an Roses weichen, weiblichen Körper, der sich in seine Hand drückte und lächelte wehmütig. »Ich versuche sozusagen immer noch die ganze Tragweite zu erfassen.«
George ließ ein anerkennendes Schnauben hören und hob das Glas. »Interessiert es Sie, wie ich meine Tage verbringe? Als Erstes höre ich mir sechs Stunden lang impertinentes Gejammer und Gebettel an - ich spreche natürlich von den königlichen Audienzen. Dann marschiert irgendwann Robert herein und beschwert sich darüber, wie viel Zeit und Geld ich in Brighton verschwende. Der Mann ist ganz klar der steifste Premierminister, den England je gesehen
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