Die schöne Rächerin
Teil von ihm in Deckung gegangen, denke ich. Aber vielleicht war es auch die Armee, oder die Verwundung … Er ist jedenfalls verändert zurückgekommen, zumindest schien es mir so, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe.«
Rose wünschte, sie hätte den Collis von früher gekannt. Sie konnte ihn sich vorstellen, jung und unbekümmert. Er musste ein wunderhübscher Bursche gewesen sein, heil an Körper und Seele. Wie er gestrahlt haben musste, wie ein silberner Trinkbecher, dem Fingerabdrücke und Schmutz noch nichts hatten anhaben können.
Verdammt, sie blieb doch auf ewig das Hausmädchen! Silber polieren, um Himmels willen! Wenn Collis ein silberner Trinkbecher war, dann war sie ein hölzerner Löffel. Ein Löffel mit einer Mission, auf die sie sich jetzt besser konzentrierte. Nachdem sie ein klein wenig mehr über Collis gehört hatte.
»Sie wollten mir erzählen, wie er zum Etheridge-Erben geworden ist.«
»Bin ich abgeschweift? Verzeihung.«
Sie nahm ihm die Entschuldigung nicht ab. Es gab einen Grund, weshalb er ihr all das erzählt hatte. Andererseits war er ein durchgedrehter, betrunkener Spieler. Sie hörte besser nicht auf das, was dieser Mann zu erzählen hatte … nur dass sie es unbedingt hören wollte. »Also, wie konnte er Titelerbe werden, wo sein Vater nur Offizier war?«
»So wie er es mir erzählt hat, gab es keine weiteren Etheridge-Männer. Auch die Suche auf den entfernteren Ästen des Stammbaumes hat keine anderen männlichen Verwandten ergeben, ist es zu glauben? Offenkundig pflanzen sie sich nicht gut fort. Viele Einzelkinder, viele jung Verstorbene, lauter solche Sachen eben.«
Das hörte sich für Rose nicht ganz richtig an … ein wenig zu konventionell, genau genommen. Der tatsächliche Erbe war vermutlich Schweinebauer im Norden oder sonst etwas Unerträgliches.
»Aber kann man denn einfach jemanden zum Erben bestimmen?«
»Wenn es um einen Titel geht, normalerweise nicht. Aber es sind ja auch die wenigsten von uns wie Collis, der schon mit einem goldenen Löffel im Mund auf die Welt gekommen ist. Ein Wort zum Prinzen, ein wenig in den Stammbüchern herumgekritzelt und voilà! Der Erbe ist da!«
»Es scheint mir nicht ganz einwandfrei, aber was der Prinzregent sagt, wird wohl auch gemacht.« George war zu spontanem, ungeheuerlichem Großmut fähig, wie sie gehört hatte. Sie konnte sich vorstellen, dass er den kleinen Collis gemocht und einfach mit dem Finger geschnippt hatte … aber damals war er noch gar nicht Prinzregent gewesen, oder? Es musste auch der Wunsch des Königs gewesen sein.
»Natürlich haben sie ihn eher wie einen königlichen Erben behandelt, nicht nur wie den Etheridge-Erben«, fuhr Ethan fort. »Nicht, dass sie ihn verwöhnt hätten, eher gedrillt. Loyalität zu den Etheridges, Hingabe an die Etheridges. Alle haben sie ihm gesagt, dass es die wunderbarste Sache der Welt sei, aber sie hat ihm nie etwas bedeutet. Und warum auch? Sein Onkel war ein junger, gesunder Mann. Die Chance, dass Collis tatsächlich erbt, war immer gering. Nein, seine Geliebte war immer die Musik, schon als Junge. Der Musiklehrer in der Schule hat es schnell aufgegeben, ihm etwas beibringen zu wollen. Ich denke, Col hat ihn einfach überholt.«
Rose seufzte. »Ich habe ihn nie spielen hören.«
Ethan sah sie erstaunt an. »Wollen Sie mir sagen, dass er überhaupt nicht mehr spielt?«
Rose schlang die Arme um den Oberkörper und schüttelte den Kopf. »Seit er verwundet worden ist, nicht mehr. Er hat eine Weile lang Trommel gespielt, habe ich gehört, aber ich denke, er wollte nur kein Mitleid.«
»Gott schütze uns vor dem Stolz der Etheridges.« Ethan seufzte mit Blick zur Decke hinauf. »Er spielt nicht mehr. Verdammt, er muss kurz vor der Explosion stehen.«
»Warum?«
»Collis braucht Musik - etwas, wo er hingehört, wenn Sie so wollen. Nicht wie ich. Ich ziehe es vor, allein zu sein.«
Rose war sich da nicht so sicher, aber sie unterbrach ihn nicht. Ethan sah sie traurig an. »Verdammt. Armer Junge.«
»Aber er hat seinen Platz gefunden«, sagte Rose leise. »Oder wird ihn zumindest finden.« Wenn sie ihm das nicht verdorben hatte. Aber sie hatte jetzt keine Zeit, sich deswegen zu sorgen. »Ich denke, er ist ein wenig auf der Suche. Er wirkt manchmal so … so verloren.«
»Der Mann danach.«
Rose runzelte die Stirn. »Wer?«
»Der Mann danach. Der Mann, zu dem man wird, nachdem einem das Leben übel mitgespielt hat. Mein Vater hat immer gesagt, dass es nicht zählt,
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